Heute fällt es nicht schwer, Beispiele zu finden. Lügen, also Sachverhalte oder Ansichten nicht so zu sagen, wie sie unseres Wissens wirklich sind, das machen wir schließlich alle manchmal. Oder auch häufiger. Wir reden uns heraus aus schwierigen Situationen. Stellen uns besser dar als wir sind. Schmücken uns mit „fremden Federn“. Machen der Partnerin zu schöne Komplimente. Aber: dürfen wir das?
Unsere Aussagen haben auch immer eine Bedeutung jenseits des Sachverhalts.
Um die Frage einer moralischen Rechtfertigung zu klären, suchen wir die Motive in den Beispielen. Wir wollen uns selbst schützen vor unangenehmen Folgen unserer Taten. Wir wollen unser Gegenüber überzeugen, wir nutzen Gelegenheiten, uns gegenüber anderen aufzuwerten, wir wollen nicht zuletzt Beziehungen pflegen und erhalten. Menschlich allzu menschlich. Aber auch wirklich in einem guten Sinne?
Lügen ist menschlich und hilft uns dabei, Herausforderungen des Lebens zu bewältigen.
Doch haben wir auch Zweifel. Schließlich haben unsere Lügen auch Folgen. Was ist mit der Beziehung, die an einer andauernden Sprachlosigkeit zerbricht? Was ist mit den Lügen, die immer wieder neue Lügen erfordern, um nicht aufzufallen? Was ist, wenn der „Geschützte“ dies gar nicht wollte? Oder es überhaupt nicht die erwünschten „guten“ Folgen hat? Oder nicht zuletzt mit dem zerbrechlichen Gut des „Vertrauens“ zwischen den Menschen?
Lügen kann uns auch schaden, nicht immer gelingt es, dies angemessen abzuwägen.
Da ist der kurzfristige „Gewinn“ gegen den langfristigen Schaden. Da ist die Vermeidung des Konflikts gegen eine Chance zur Entwicklung der Beziehung. Da ist unsere unmittelbare Emotion gegen eine rationale Erwägung von Argumenten. Da ist ein leichtes und schnelles „Strahlen“ der eigenen Person gegen eine authentische und aufrichtige Persönlichkeit.
Kurzfristig scheinen wir eher zur Lüge zu neigen, auf lange Sicht suchen wir eher das gut überlegte moralische Argument.
Gelingt es uns, den ersten Impuls abzuwarten, können wir uns moralisch entscheiden. Eine Lüge im oben genannten Sinne mag moralisch geboten sein. Sie scheint es jedoch weit seltener, als wir tatsächlich lügen. Philosophierend sind wir dem Streben nach der Wahrheit verbunden. Als Menschen können wir uns entscheiden und unsere Motive und mögliche Folgen vorab überprüfen.
Prüfe, welche Wirklichkeit dem Leben angemessen ist!
Vielleicht gelingt es uns dann häufiger, wahrhaftig zu bleiben. Und uns die Freiheit zu Entwicklung zu schenken.