Ist es klug, im Leben nach Weisheit zu streben?

Wir starten mit Beispielen, was Weisheit für uns bedeutet. Als „weise“ wir zum Beispiel der erachtet, welcher vorausschauend handelt, das Gute im Blick hat, aus Erfahrung lernt, Erfahrungen auf andere Situationen übertragen kann, seine eigenen Werte kennt, aufrichtig zu sich selbst und anderen ist oder auch sein Nichtwissen in vielen Situationen anerkennt. Oft wird betont, dass Weisheit auch bedeutet anzuerkennen, eben meist nicht weise zu sein, aber danach zu streben.

Weisheit im Lebensvollzug bedeutet vielleicht vor allem, demütig anzuerkennen, meist nicht weise zu sein.

Weisheit kann auch von anderen wichtigen Tugenden abgegrenzt werden. Zum Beispiel von instrumentaler Klugheit, mit der wir unsere Ziele verfolgen und erreichen. Wir können zum Beispiel einen Bildungsabschlüsse erreichen, weil wir uns klug und sachlich richtig auf eine Prüfung vorbereiten. Oder im Beruf erfolgreich ein Projekt abschließen. Weisheit kommt hier vielleicht erst ins Spiel, wenn wir nicht erfolgreich sind. Oder wenn wir uns nicht dazu verführen lassen, unseren Erfolg für selbstverständlich zu nehmen.

Weisheit ermöglicht ein Nachdenken über das sonst Selbstverständliche.

Ein Streben nach Weisheit bedeutet die Frage nach dem Sinn des Wissens oder der Klugheit zu fragen. Ist es ein gutes Ziel, dass ich erreichen könnte? Wozu nutze ich mein Wissen? Ich bin zum Beispiel ein Lehrer und frage nach dem Bildungsziel für meine Schüler*innen. Ist es nicht das Ziel der jungen Menschen selbst, sich zu bilden? Gibt es überhaupt einen guten Grund, für andere Ziele zu setzen?

Wenn wir nach Weisheit streben, erhalten wir viele neue und unbequeme Fragen, die uns das Leben stellt.

Ist es also klug, nach Weisheit zu streben? Erst sehr spät im Gespräch kommen wir auf die Frage des Cafés zurück. Die Meinungen gehen auseinander. Zwischen „unbedingt“ und „ich kann nicht anders“ bis hin zu „oft ist es klug, nicht weise zu sein“ und „überleben ist manchmal zuerst dran.“

Wer philosophiert, dem ist der Wunsch nach Wissen und Wahrhaftigkeit wohl näher, als der klug errungene Erfolg.

Vielleicht ist es also nicht unbedingt klug, aber weise, nach Weisheit zu streben. Entscheiden Sie selbst!

Wie frei sind wir wirklich in unserem Denken und Handeln?

Es heißt: Die Gedanken sind frei. Dennoch nehmen wir wahr, dass wir eingebunden sind in Muster des Verstehens, des Beschreibens von Wirklichkeit, des Handelns. Wir sind auf andere Menschen angewiesen und richten unser Denken auf den Erhalt von Beziehungen und die Wahrung von Ressourcen.

Wir entwickeln als Menschen unser Denken parallel zu unseren Erfahrungen, die sich aus unseren Handlungen ergeben.

Ich kann mich vom Arbeitsleben als Angestellte befreien und mich selbständig machen. Doch erfahre ich bald, dass ich in meinem Handlungen nicht frei bin, sondern eingebunden in die Erwartungen meiner Kunden. Auch mein Denken zielt sehr bald darauf ab, die Kundenwünsche zu erfüllen, um in meiner selbständigen Tätigkeit erfolgreich zu sein.

Ich kann in der Liebe zwar darüber nachdenken, anstatt mit Anna mit Leonie zusammen zu sein. Aber wenn ich danach handeln will, treffe ich eine Entscheidung, die meine Freiheit für zukünftige Handlungen nicht vergrößert. Auch ist es weniger denkbar, nach meiner Entscheidung für Leonie erneut über eine Rückkehr zu Anna nachzudenken.

Vieles in meinem Denken scheint bereits in der Kindheit angelegt zu werden. Sitze ich bei meiner Mutter auf dem Sofa, werde ich vielleicht wieder zum Kind. Die Erwartungen anderer Menschen zu verändern, ist mir nur schwer möglich.

Ich scheine gefangen in den Denk- und Handlungsmustern meiner Biographie. Einer Biographie, die ich größtenteils nicht selbst geschrieben habe.

Und dennoch habe ich das sichere Gefühl, dass es einen Spalt gibt zwischen den vielen Bedingungen und Erfahrungen des Lebens, der meine Freiheit ausmacht. Ich kann mich eben doch, so oder so entscheiden. Ich kann darüber nachdenken. Ich kann mein Handeln nach meinen Überlegungen ausrichten. Nicht immer. Aber doch auch.

Ich kann mein Handeln nach meinen Werten beurteilen und meine Freiheit ausüben.

Dies zu tun, jeden Tag ein wenig, ist die Bedeutung von Philosophieren.

Kann Philosophieren helfen in den Schwierigkeiten des Lebens?

Schwierigkeiten des Lebens, wie persönliche Rückschläge, Enttäuschungen, Verluste, eigene Krankheit oder die geliebter Menschen, aber auch die ganz alltäglichen Schwierigkeiten, Baustellen in der Stadt oder Wind und Wetter – kann Philosophieren helfen, damit besser zurecht zu kommen?

Nun, mit Sicherheit ist damit nicht gemeint, dass Philosophieren einen konkreten Gebrauchswert hätte. Wenn ich wissen will, warum mein Kaffee-Automat kaputt ist und wie ich wieder an frisch gebrühten Kaffee gelange, frage ich am Besten nicht einen Philosophen. Ich bekomme vielleicht sehr interessante Antworten und verbringe ein paar schöne Stunden – jedoch ob ich auch an meinen Kaffee komme hängt nicht an der philosophischen Kompetenz.

Philosophieren kann jedoch zu einer geänderten inneren Haltung führen, auch oder gerade wenn ich die äußeren Zustände nicht ändern kann.

Ein Beispiel für eine Haltung, die wir durch Philosophieren stärken können, ist Gelassenheit. Ein Beispiel: Ich habe den Zug verpasst. Der nächste fällt aus. Ich sitze fest auf einem Bahnhof irgendwo auf der Durchreise. Wie könnte Gelassenheit aussehen?

Vielleicht indem ich in die Szene eintauche, die Menschen beobachte, höre, was es zu hören gibt, das Muster auf dem Bahnsteig in Gedanken nachzeichne. Vielleicht indem ich ein Stück gehe bis zum Ende des Bahnsteigs. Für die Gelassenheit gibt es keine verlorene Zeit, keine ungenutzte Zeit. Ich könnte immer noch ein Sonnenbad nehmen, oder etwas anderes Positives an der Situation finden. Auch könnte ich meine Aufmerksamkeit nach innen richten, an schöne Dinge denken. Kurz: anstatt mich zu ärgern nutze ich meine Energie für Alternativen zu meinen Planungen.

Aber muss ich die Zeit überhaupt sinnvoll verwenden? Meine Lebenszeit ist begrenzt, daher ist meine Zeit wertvoll, sie erscheint mir ein knappes Gut zu sein und mit der Zeit, so nehme ich an, wird diese immer knapper. Warum sollte Warten etwas Sinnvolles sein? Manchmal begegne ich anderen Wartenden, das gemeinsame Warten, zum Beispiel am Bahnhof auf den verspäteten oder ausgefallenen Zug, führt vielleicht zu unerwarteten Begegnungen. Warten ist auch eine Gelegenheit.

Philosophieren hilft in den Schwierigkeiten des Lebens, weil wir durch Philosophieren an die Fragen gelangen, die uns wirklich betreffen.

Die Gelassenheit führt mich zu einer weiteren Frage, die ich bisher nicht wahrgenommen habe. Was ist das Wesen des Wartens? Das mein Plan der schnellen und problemlosen Bahnreise scheitert, das ist nicht wirklich eine Schwierigkeit in meinem Leben. Aber wie halte ich es mit dem Warten?

Das Beiläufige, vorgeblich Selbstverständliche zu begreifen stellt sich als eine wirkliche Schwierigkeit meines Lebens heraus.

Defekte Kaffee-Automaten und ausgefallene Züge sind Anlässe und Zeiträume darüber zu Philosophieren.