Können wir alles erreichen was wir wollen?

Zunächst setzen wir uns mit dem „alles“ in der Frage auseinander. Ist es nicht so, dass solche Aussagen mit „immer“, „nie“ oder eben „alles“ meist nicht zutreffen können? So ändert sich die Frage gleich zu Beginn des Gesprächs in: „Wann können wir erreichen, was wir wollen?“ Es gibt danach Beiträge, die darauf hinweisen, dass wir etwas erreichen können, eben weil wir es so stark wollen.

Können wir etwas erreichen, gerade weil wir es so stark wollen?

Natürlich gibt es zum Beispiel die Verliebtheit. Da erreicht einer einen geliebten Menschen, eben weil er so sehr liebt und alles versucht, sie von sich zu überzeugen. Eine andere erlernt ein Instrument so perfekt zu spielen, eben weil sie es sich so sehr wünscht und sie jede freie Minute übt.

Ein starker Wille kann uns motivieren, etwas zu erreichen, indem wir es immer wieder anstreben.

Doch es gibt auch Einwände. Da ist es in einem Fall nicht ein Wollen, sondern eine schlichte Entlassung, die dazu führt, endlich eine lange ersehnte selbständige Tätigkeit zu beginnen. Und da ist natürlich der Hinweis darauf, dass viele Menschen allein aufgrund ihrer Geburt nicht die Möglichkeiten haben, etwas zu erreichen.

Ein Wollen allein reicht nicht hin, etwas zu erreichen, manchmal ist es nicht einmal Voraussetzung dafür.

Und wie ist es mit den großen Themen? Mit der Bewältigung des Klimawandels, einer friedlichen Weltpolitik, der Verwirklichung einer freien und gleichen Gesellschaft? Viele von uns sind sicher, dass ein Wollen von Vielen einen gesellschaftlichen Wandel bewirken kann. Doch wie steht das Wollen von einzelnen in Beziehung zu einem gesellschaftlichen Willen?

Denken wir an ein Wollen von Vielen, so erscheint das Erreichen von Zielen als eine ganz andere Frage.

Es scheint nicht einfach die Summe einzelnen Wollens zu sein, was schließlich als Gesellschaft erreicht wird. Wenn alle den Müll trennen ist der Klimawandel noch nicht aufgehalten, oder doch? Und es wird oft als frustrierend erfahren, dass die eigenen Überzeugungen sich politisch nicht durchsetzen. Oder andere politische Überzeugungen irgendwie dann doch.

Wir scheinen gesellschaftlich weniger erreichen zu können, was wir wollen, als individuell.

Es scheint für uns gefühlt einfacher zu sein, persönliche Ziele zu erreichen, die wir wirklich wollen. Das mag daran liegen, dass wir mehr Einfluss auf unsere persönlichen Ziele haben.

Vielleicht ist es gut, wenn wir uns immer mal wieder mit persönlichen Zielen in unserem Wollen erleben.

Gibt es etwas Gutes am Scheitern?

Sogleich gibt es viele Beispiele für Gutes am Scheitern. Da ist eine, die berichtet, dass sie nach ihrer Trennung nun in einer guten Beziehung ist. Da ist ein anderer, der erzählt, dass er nach dem Rauswurf aus dem Unternehmen nun eine viel bessere Zeit beruflich hat mit mehr Anerkennung. Da ist eine andere, die erzählt, dass nur die unzähligen gescheiterten Versuche ihrer Kinder dazu geführt haben, dass sie schließlich Laufen gelernt haben. Da ist noch einer, der erklärt, erst nachdem eine Sache gescheitert ist, kann mensch sich für neue Möglichkeiten öffnen.

Ein Scheitern beendet eine Sache endgültig und neue Perspektiven werden möglich.

Doch wer bewertet denn, dass etwas gescheitert sei? Sind wir es selbst? Sind es andere, Eltern, Chefs, eine Kultur? Wenn wir selbst etwas als gescheitert betrachten, ergeht es uns manchmal besser, manchmal auch schlechter. Hätten wir es anders oder besser machen können? Es wird von vielen als hilfreich angesehen, die Verantwortung für ein Scheitern selbst zu tragen, jedoch auch bald wieder loslassen zu können. Wir fühlen uns anscheinend meist besser, wenn wir auf etwas hin streben, eben noch nicht gescheitert sind.

Können wir unser Scheitern loslassen wird ein Neuanfang möglich.

Doch es gibt auch andere Hinweise. Mancher mag so schlimm gescheitert zu sein, dass ein Neuanfang unmöglich scheint. Hierzu meinen einige, dass es gut sein kann, sein Scheitern rechtzeitig einzugestehen und nicht zu lange an unerreichbaren Zielen festzuhalten. Vielleicht beginnt also das Gute am Scheitern bereits vor dem Ende eines erstrebten Ziels.

Wir können Ziele rechtzeitig loslassen und ein gutes Scheitern ermöglichen.

Schließlich fallen uns auch noch weitere Aspekte des Scheiterns ein. Jedes Scheitern wird immer auch von starken Gefühlen begleitet. Negativ bewertete Gefühle wie Zweifel, Versagen, Schuld, Angst oder Wertlosigkeit. Dabei fällt uns auf, dass die schlechten Gefühle oft nicht mit den Sachverhalten überein stimmen. Vielleicht habe ich nur ein „gut“ in der Prüfung und fühle mich gescheitert, weil ein „sehr gut“ mein Ziel war. Wäre bei Ziel ein Abschluss, dann hätte ich Erfolg!

Ob ich Erfolg oder Scheitern erlebe, hängt auch von meinen Zielen ab.

Ich kann meine Ziele angemessen wählen und meine Gefühle achtsam regulieren. Dann werde ich wahrscheinlich seltener Scheitern. Doch vielleicht ist es auch manchmal besser, mit ganzem Gefühl und voller Absicht „unmögliche“ Ziele anzustreben. Menschlich sind beide Haltungen allemal.