Sollten wir besser den Verstand verlieren für das gute Leben?

Zugegeben: Ein wenig provokant soll diese Frage schon sein. Doch wir finden sogleich Anknüpfungspunkte und Beispiele. Was heißt hier „verlieren“? Geht es nur darum, dass wir durch eine Krankheit oder ein kritisches Lebensereignis nicht mehr unseren Verstand wie sonst nutzen können? In diesem Fall macht das „Sollten“ jedoch keine Sinn.

Eine Frage nach dem Sollen macht nur Sinn, wenn wir unseren Verstand uneingeschränkt nutzen können.

Möglicherweise ist dann „verlieren“ nicht das geeignete Wort. Eher: „abschalten“, wenn wir zum Beispiel Alkohol trinken oder Schokolade essen oder Drogen konsumieren. Oder auch „loslassen“, wie in der Meditation oder im Flow-Erleben beim Sport oder in der Kreativität. Hier kann mensch ohne Verstand – oder zumindest mit nur einem bestimmten Teil des Verstandes – besondere Erfahrungen machen.

Der Verstand kann für bestimmte Formen des Erlebens hinderlich sein.

So ist denn auch die Aufzählung von Beispielen, was wir denn ohne den Verstand – oder mit ausgeschaltetem Verstand – erst so richtig vermögen, recht lang: Lieben zum Beispiel in jeglicher Form, glücklich sein sicher auch in einem tieferen emotionalen Sinn, ein Bild malen, Freundschaften schließen und verlieren, Sexualität mit Sicherheit geht am Besten ohne Verstand.

Vieles im Leben gelingt uns erst so richtig gut, wenn wir den Verstand zumindest begrenzen.

Sollten wir also den Verstand gleich ganz verlieren? Nein ist die häufigste Antwort, denn den Verstand auf eine gute Art zu gebrauchen, ist hilfreich auch dabei, ihn zeitweise zu verlieren. Gut vorbereitet gelingt die romantische Verabredung. Farben und Leinwand braucht es für ein Bild. Meditation kann gelehrt werden. Auch Geld ist hilfreich für einen Ausflug ins Ungewisse.

Und mit Verstand können wir gut vorbereitet den Verstand loslassen.

Wir wissen um die Rückwege. Wir können zurück kehren zum Alltäglichen. Funktionieren ist kein Makel. Dafür haben wir unseren Verstand.

Nur der Buddha bleibt schließlich im vollendeten Loslassen.

Wie frei können wir sein in unseren Beziehungen?

Sonderausgabe! Gänsehaut beim Live-Intro von Sarah Seppendorf. Mit Gastmoderatorin Sophie Neugebauer starten wir in die Frage. Und verzetteln uns gleich einmal: wie frei können wir sein in unserer Co-Moderation. Dazwischen reden ist natürlich vorgesehen. Welche Richtung geben wir vor? Können wir uns verständigen? Wer hat das Mikro?

Jede Beziehung erzeugt Freiheitsmomente und Verbindlichkeitsmomente zugleich.

Um welche Beziehungen soll es gehen? Da sind vor allem erst einmal die Liebesbeziehungen. Manche werden zu Paarbeziehungen, mache werden Eltern, manche Ex-Beziehungen. Und da sind auch Freundschaften. Beziehungen zu den eigenen Kindern. Natürlich die beruflichen Beziehungen. Die einen Beziehungen gehen wir freiwillig ein, andere nicht.

Auch wenn wir Beziehungen freiwillig eingehen entstehen bindende Verantwortlichkeiten.

Da ist ein Freund, den wir in einer Notsituation begleiten. Wir haben sicher die Freiheit zu gehen, doch wir fühlen uns gebunden durch die Freundschaft. Unser moralisches Gewissen hält uns zurück. Da ist die Partnerin, die schwer erkrankt und sich vielleicht auch in ihrer Persönlichkeit verändern wird. Auch hier verzichten wir möglicherweise aus moralischen Überlegungen auf unsere Freiheit.

Wie frei wir in Beziehungen sind, hängt auch von unserem moralischen Urteil ab.

Und überhaupt scheint uns der Freiheitsbegriff ganz schön an der Nase herum zu führen. Sicher können wir in unseren Beziehungen größtenteils frei sein, doch wollen wir es oft nicht. Gerade eben weil uns eine Verbindlichkeit in Beziehungen wichtig ist. Unsere Freiheit scheint oft nur in einem verbindlichen festen Rahmen sinnvoll.

Wir können möglicherweise gerade so frei sein, wie wir es wollen.

Warum nur klagen wir so oft über Unfreiheiten und Abhängigkeiten in Beziehungen? Da ist die Weltreisende, die alle Beziehungen in ihrer Heimat aufgegeben hat. Da ist der allein erziehende Vater mit zwei Kindern. Wer ist freier in seinen Beziehungen? Auf den ersten Blick klar, erscheint es jedoch auf den zweiten unentscheidbar. Vielleicht flieht die Weltreisende von einer abhängigen Beziehung in die nächste. Vielleicht erfährt der Vater die notwendig hohe Verbindlichkeit zu seinen Kindern als Befreiung von einer wie auch immer verstandenen „Selbstfindung“.

Beziehungen können uns abhängig oder frei machen, es hängt von uns selbst ab.

Und so richten wir zuletzt den Blick auf die Möglichkeiten, in Beziehungen Freiheit zu gewinnen. Wer kann sich zum Beispiel selbst romantisch küssen? Und auch wenn wir uns selbst lieben können, so ist es doch wundervoll geliebt zu werden.

Wieviel Verantwortung trage ich für die Gefühle anderer?

Diesmal diskutieren wir sehr kontrovers. Da ist einer, der erklärt, wir haben gar keine Verantwortung für die Gefühle anderer. Da sind aber auch einige, die betonen, dass ich mich sehr wohl verantwortlich zeigen sollte, wenn ich durch mein Handeln oder Sprechen Gefühle bei anderen auslöse.

Wieviel ich mich verantwortlich zeigen sollte wird unterschiedlich wahrgenommen.

Nein, ich habe überhaupt keine Verantwortung. Deine Gefühle zu regulieren und damit klar zu kommen, was andere über dich sagen oder denken mögen, ist deine Sache allein. Was andere dir gegenüber tun, wie sie sich verhalten ist unerheblich für deine Gefühle, denn du bewertest die Handlungen anderer selbst und erst dadurch entstehen in dir Gefühle.

Eine Position: Jeder ist der Autor seiner eigenen Gefühle. Gefühle entstehen erst aus der persönlichen Wahrnehmung und Bewertung heraus.

Doch, manchmal sollte ich Verantwortung übernehmen. Immer dann zum Beispiel, wenn ich Verantwortung trage für Menschen, die von mir abhängig sind, wie Kinder oder hilfsbedürftige Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind. Ich sollte stets bedenken und achtsam sein, was mein Handeln und Sprechen für diese Menschen bedeutet.

Eine andere Position: Gegenüber Menschen, die auf mich angewiesen sind trage ich sehr wohl Verantwortung für deren Gefühle.

Ein Kind anschreien, dass einen Fehler macht, bedeutet für dieses Kind einen Schmerz, löst Gefühle aus von Ohnmacht, Angst, Unsicherheit, Wertlosigkeit. Sollte ich mich nicht immer verantwortlich fühlen für diese Gefühle, die ich durch mein Handeln und Sprechen gegenüber Kindern auslöse? Welche Möglichkeiten der eigenen Regulation haben schließlich Kinder, insbesondere wenn sie noch sehr jung sind?

In Beziehungen zu Kindern scheint es so zu sein, dass ich eine Verantwortlichkeit für die Gefühle der Kinder trage.

Und dann gibt es auch noch die Frage nach der Reichweite der Verantwortlichkeit. Einige sind der Ansicht, dass ich zwar nicht verantwortlich sein kann für die Gefühle die ich in anderen auslöse. Jedoch sollte ich mich offen zeigen für einen Austausch und ein Gespräch darüber mit anderen. Verantwortlichkeit bedeutet in diesem Sinne eine stete Auseinandersetzung damit, welche Folgen mein Handeln und Sprechen für die Gefühle meiner Mitwelt haben.

Meine Verantwortlichkeit scheint sich zwar meist nicht auf die Gefühle anderer zu beziehen, sie bedeutet jedoch vielleicht, dass ich stets bereit bin, mich mit den Folgen meines Handelns für die Gefühle anderer auseinander zu setzen.

Auch wenn wir unterschiedliche Positionen behalten, so bleibt doch die Erfahrung, dass die meisten davon überzeugt sind, dass es gut ist, respektvoll und mit offenem Herzen auf die Gefühle anderer zu achten.

Warum schämen wir uns für andere?

Zunächst einmal fallen uns viele Beispiele ein, in denen wir uns für andere schämen. Da ist die Frau mit dem verschobenen Make-up und dem viel zu durchsichtigen Kleid, die dies offensichtlich selbst nicht bemerkt. Da ist der eigene Mann, der einfach nicht tanzen kann. Da ist der Tischnachbar, der alle guten Manieren vermissen lässt. Die eigene Mutter auf dem Dorffest, wie sie jedem, der es nicht vermeiden kann, ausführlich aus ihrem Leben erzählt.

Wir können für andere Scham empfinden, auch wenn sie sich selbst nicht schämen.

Nur warum tun wir dies? Verantwortlich fühlen wir uns nicht. Es sei denn wir handeln und klären zum Beispiel die Situation auf. Doch dann hört die Scham auf. Das Schamgefühl hingegen hält uns in der Nicht-Verantwortung. Oder vielleicht entsteht das Schamgefühl für andere gerade aus der im Nicht-Handeln angestauten Energie.

Die Scham für andere wird so zu einem moralischen Gefühl.

Ob wir uns schämen oder nicht, stellt uns in einen moralischen Zusammenhang mit unserer Mitwelt. Ist es angemessen so oder so zu handeln, sich so oder so zu geben, mit anderen so oder so in Bezug zu gehen? Wir beantworten diese Frage mit einem moralischen Gefühl, der Scham. Fehlte uns diese, so fehlte ein wichtiges Regulativ im sozialen Leben.

Die Scham für andere ist Motiv und Antrieb für unser Handeln.

Handeln wir in Verantwortlichkeit für andere, so verschwindet die Scham. Bleiben wir im entrüsteten oder irritierten Nicht-Handeln, so bleibt ein unangenehmes Gefühl in uns bestehen. Doch woher nehmen wir das Mass von Angemessenheit, von dem oben die Rede war? Ist dieses nicht willkürlich und abhängig von unseren kulturellen Gesetzen und sozialen Erfahrungen? Die Scham für andere stellt selbst auch eine dieser Gesetze und Erfahrungen dar.

Die Scham für andere ist Teil des dynamischen sozialen Geschehens und damit an der Entstehung unseres moralischen Gefühls beteiligt.

Wir schämen uns für andere, weil wir es als soziale Wesen können. Wir handeln moralisch, wenn wir über die Scham hinaus wachsen und uns fragen, auf welche Verantwortlichkeit die Scham verweist. Damit gehört die Scham für andere, wie die Scham für uns selbst und andere soziale Gefühle zu den Grundlagen unseres moralischen Vermögens.

Warum nur bist du so verführerisch für mich?

Zunächst fallen uns einige Beispiele ein. Da ist die italienische Handtasche, die uns zum Kauf verführt. Da ist die Idee eines Freundes, die mich verführt, mein bisheriges Vorhaben aufzugeben. Da ist ein wundervoller Mann oder eine wundervolle Frau, die mich verführt, an diesem Abend meine moralischen Vorbehalte auszusetzen.

Eine Verführung bringt mich dazu, etwas zu tun, dass ich sonst nicht getan hätte.

Und ist dies verwerflich? Wir sind unentschieden. Manchmal werfen wir wichtige Werte über Bord und bereuen es danach. Wir betrügen unsere Partner, essen das Falsche, kaufen zu viel und Unnötiges. Und manchmal erleben wir als Verführte Aufregendes und Neues, das uns nachhaltig positiv verändert. Wir entdecken neue Landschaften, lernen fremde Menschen kennen, ändern unseren Blick auf die Welt.

Sich verführen zu lassen kann mir Gutes einbringen oder auch nicht.

Es scheint nicht nur das Verführende oder der oder die Verführer*in aktiv beteiligt. Auch der oder die Verführte ist mit seiner Entscheidung beteiligt. Lasse ich mich verführen? Vielleicht sogar gerne? Manchmal tut es gut, die Kontrolle aufzugeben, die Verantwortung abzugeben. „Ich bin es nicht gewesen!“ – „Die Verführung war zu stark!“

Lasse ich mich verführen, so gebe ich zumindest scheinbar meine Verantwortung ab.

Vielleicht bist du so verführerisch für mich, weil du mir die Last der Verantwortung für das, was geschieht nimmst. Und auch wenn ich das nicht glaube, so ist es doch ein wunderbares Spiel. Als Verführte*r bin ich schuldlos von meinem Weg abgekommen. Als Verführende*r kann ich ohne Zwang mein Eigenes realisieren. Und auf der anderen Seite behalte ich mir als Verführte*r die Kontrolle meines Einverständnisses vor. Und als Verführende*r dieses Einvernehmen.

Die Verführung zeigt sich als ein Spiel mit unseren Verantwortlichkeiten.

Am Ende werden wir dann meist doch auf unsere Verantwortung zurück geworfen und zahlen den Preis. Doch nicht sofort. Wie gelingt dies? Eben weil Verführung ein Spiel ist. In den Andeutungen, im Halbdunkel, im Spiel mit meiner Lust, mit meinen Begehrlichkeiten. „Du kann alles haben!“ haucht die Verführung in mein Ohr. Und wenn ich auch weiß, dass es nicht stimmen kann, so wäre es doch wunderschön.

Die Verführung lebt im noch nicht Vollendeten. In der Vollendung ist sie tot.

Und genau das lieben wir. Davon leben wir. In der Möglichkeit ist alles möglich. Wer möchte schon wirklich alles Mögliche haben?

Müssen wir unsere Versprechen einhalten?

Wir finden zunächst viele Beispiele für Versprechen. Da ist natürlich das Eheversprechen, das Freundschaftsversprechen, ein Versprechen zu helfen, da zu sein, etwas bestimmtes zu tun oder zu unterlassen. Häufig sind es Sätze zu anderen in der Form: Ich verspreche dir (…). Durch ein Versprechen wollen wir Vertrauen in einer Beziehung schaffen. Mit der Einhaltung von Versprechen wächst das Vertrauen in die Beziehung.

Versprechen haben die Funktion, Vertrauen einer Beziehung zu schaffen.

Diesmal werden in den Beispielen gegensätzliche Auffassungen deutlich. Da ist auf der einen Seite das Argument, dass Versprechen etwas sehr Wertvolles sind, die darum auch unbedingt einzuhalten sind. Auf der anderen Seite wird das Argument vertreten, dass zum Zeitpunkt des Versprechens niemals alle zukünftigen Bedingungen vorher gesehen werden können. Daher sollten Versprechen auch auflösbar sein.

Ein Versprechen bezieht sich immer auf einen zukünftigen Sachverhalt, der von der Gegenwart aus nicht vorhersehbar sein kann.

Da ist zum Beispiel das Versprechen, die Eltern bis zum Tod zu Hause zu begleiten und wenn notwendig zu pflegen. Nun kann der Aufwand nicht mehr bewältigt werden und den Eltern geht es nicht gut zu Hause. Da ist das Versprechen, beim Umzug zu helfen. Jetzt ist ein Urlaub geplant oder eine Erkrankung kommt dazwischen. Da ist das Versprechen, bis zum Lebensende miteinander in der Ehe zu leben. Nun ist die Liebe erloschen und das Zusammenleben unerträglich geworden.

Treten unvorhersehbare Umstände ein, kann oder will ich mein Versprechen möglicherweise nicht einhalten.

Aber ist es gerechtfertigt, den hohen Wert eines Versprechens aus persönlichen Gründen in Frage zu stellen, indem ich mein Versprechen nicht einhalte? Was wird dann aus diesem Wert? Es werden Beispiele genannt von Lebensbereichen, in denen ein Versprechen nicht mehr viel gilt. Da sind die Versprechen der Werbung, immer wieder Versprechen von Politikern, manchmal auch Versprechen von Handwerkern und Autowerkstätten.

Werden Versprechen immer wieder nicht eingehalten, schwindet unser Vertrauen.

Wenn aber auf der einen Seite klar ist, wir können nicht alle Versprechen einhalten, auf der anderen Seite jedoch ebenso erfahrbar, dass die Einhaltung eines Versprechens erst seinen Wert begründet, wie kommen wir nur aus dieser Klemme heraus? Einerseits ist uns der Wert an sich wichtig, andererseits fordern uns in der Lebenspraxis ständig neue Bedingungen heraus.

Wir geraten in ein Dilemma zwischen dem Wert eines Versprechens und den sich wandelnden Anforderungen der Welt an uns.

Aus diesem Grund erscheint uns nun einzig eine geregelte Auflösbarkeit eines Versprechens als Lösung. Da ist der Vorschlag, wer ein Versprechen annimmt, kann dieses auch wieder zurück geben, wenn Argumente und Gründe dies rechtfertigen. Da ist der Vorschlag, ich sei bei sehr wesentlichen Veränderungen der Gründe für ein Versprechen nicht mehr an mein Versprechen gebunden.

Es scheint, dass die Ausnahme von der Regel erst ein moralisches Gebot bekräftigt.

Ein Versprechen ist immer einzuhalten, das ist die Regel. Das moralische Gebot entsteht erst durch die notwendige Ausnahme von der Regel. Wir sind moralisch herausgefordert als Menschen. Regeln befolgen können bereits Automaten.

Machen wir die Welt besser?

Zunächst befragen wir die Frage. Was ist „besser“? Wer sind „wir“? Was ist „die Welt“? Im Philosophischen Café Von wegen Sokrates philosophieren wir von der Erfahrung aus. Vom Beispiel aus suchen wir das Allgemeine zu erfassen. Davon ausgehend sprechen wir selbst von unserer Erfahrung der Welt und unserem Gefühl für „besser“.

Im Philosophischen Café Von wegen Sokrates philosophieren wir von der Erfahrung aus.

Also suchen wir Beispiele dafür, wo oder wie wir die Welt besser machen. Da erzählt eine davon, wie sie Kindern in der Grundschule vorliest. Ein anderer empfindet es als gute Entwicklung, dass viele Menschen auf ihre Sprache achten und weniger Menschen sprachlich ausgegrenzt werden. Mehrere finden es wichtig, beim Einkaufen auf die Nachhaltigkeit der Produkte zu achten oder erst gar nicht zu kaufen.

Wir finden viele Beispiele für Handlungen, welche unserer Einschätzung nach die Welt besser machen.

Und wir hören auch kritische Beiträge. Wie können wir wissen, was für andere Menschen „besser“ ist? Bezeichnet es nicht bereits ein Machtgefälle, wenn wir davon sprechen, wie „gut“ wir über andere sprechen? Inwiefern haben wir Einfluß auf die Produktion und Nachhaltigkeit, auf den Warenverkehr und den Ressourcenverbrauch? Und woher wissen wir überhaupt, dass dies die Welt besser macht?

Unser Gefühl für „besser“ scheint nicht allgemein gültig zu sein.

Unser Gespräch führt uns in ein Dilemma. Wir haben das sichere Gefühl aus der Erfahrung, dass wir die Welt mit guten Handlungen zumindest in unserer unmittelbaren Welt besser machen. Wir können jedoch das Weltganze nicht überblicken oder verstehen und kennen weder das universelle „besser“ noch die Konsequenzen unserer Handlungen bevor sich diese einstellen.

Die Konsequenzen unserer Handlungen kennen wir erst nachdem wir uns bereits entschieden haben.

Wir behelfen uns mit der Erfahrung der Konsequenzen früherer Erfahrungen. Für einen guten Umgang mit den Ressourcen in der Welt können wir die Daten der Wissenschaften nutzen. Um andere Menschen zu verstehen und zu achten können wir öfter mit ihnen sprechen, als über sie. So finden wir auch heraus, ob wir die Welt anderer Menschen besser machen, wenn wir handeln.

Gerade weil wir nicht immer wissen, sollten wir achtsam der Welt begegnen.

Vielleicht können wir nicht immer wissen, wie wir die Welt besser machen. Aber wir können versuchen, achtsam zu sein und sie zumindest nicht schlechter zu machen.

Sind wir alle für uns allein oder gehören wir zusammen?

Heute ist es gleich schon am Anfang so weit. Die Frage des Cafés wird befragt. Warum denn „oder“? Sind wir nicht alle in der Erfahrung zunächst alleine, auf unsere eigenen Sinne angewiesen in der Verbindung zu anderen? Und sind wir dann nicht alle zusammen verbunden in der Erfahrung, dass wir niemals ganz alleine gewesen sind, unser ganzes Leben lang?

Unser Alleinsein scheint uns zu dem Gedanken zu führen, dass wir je immer schon mit anderen verbunden sind.

Du wirst gezeugt und geboren, gepflegt und betreut, erfährst dich und entwickelst deine Fähigkeiten. Immer mit anderen zusammen. Doch „gehören“ wir auch zusammen? Ist es denn nicht das Entwicklungsziel aller Menschen, alleine zurecht zu kommen? Das Leben ganz und gar nach den eigenen Wünschen und Fähigkeiten zu gestalten? Im Gefühl des zusammen Gehörens schwingt etwas wie ein moralisches Sollen mit.

Wenn wir auch immer schon verbunden mit anderen sind, ist dies auch die moralisch gebotene Form des Menschseins?

Sollen wir uns nicht eher von den anderen emanzipieren, autonom sein und frei, für uns selbst handeln und denken? Es scheint beides zu geben. Wir sind gebunden an eine Familie, Partner*in, Kinder, Freunde, Verein, Unternehmen und fühlen hier eine Pflicht zur Loyalität. Doch nur mit uns alleine können wir uns selbst klar spüren, ob wir meditieren, laufen, den Jacobsweg gehen oder im Kloster schweigen..

Getrennt von den anderen werden wir uns unserer Bedürfnisse bewusst.

Und hier spüren wir deutlich, dass wir in Verbundenheit mit anderen sein wollen, jedoch auf unsere Weise, so dass wir uns selbst in der Gemeinschaft wohl fühlen. Es scheint also weniger ein moralisches Gebot als ein menschliches Bedürfnis zu sein, nach Zusammengehörigkeit zu streben. Und vielleicht liegt das Geheimnis in der Form des „Strebens“ danach. Wir sind noch einzeln, allein. Und wir wünschen uns verbunden zu sein, zusammengehörig.

Weil wir nach Zusammengehörigkeit streben, sind wir es nie ganz und doch auch nicht mehr allein.

Die Form des „danach Strebens“ ist die des Philosophierens, des Strebens nach, der Liebe zu Wissen oder Weisheit. Philosophische Weisheit, das könnte sein, nach Verbundenheit zu streben und nicht darüber zu klagen, niemals ganz in der Verbundenheit aufgehen zu können.

Darf ich manchmal lügen?

Heute fällt es nicht schwer, Beispiele zu finden. Lügen, also Sachverhalte oder Ansichten nicht so zu sagen, wie sie unseres Wissens wirklich sind, das machen wir schließlich alle manchmal. Oder auch häufiger. Wir reden uns heraus aus schwierigen Situationen. Stellen uns besser dar als wir sind. Schmücken uns mit „fremden Federn“. Machen der Partnerin zu schöne Komplimente. Aber: dürfen wir das?

Unsere Aussagen haben auch immer eine Bedeutung jenseits des Sachverhalts.

Um die Frage einer moralischen Rechtfertigung zu klären, suchen wir die Motive in den Beispielen. Wir wollen uns selbst schützen vor unangenehmen Folgen unserer Taten. Wir wollen unser Gegenüber überzeugen, wir nutzen Gelegenheiten, uns gegenüber anderen aufzuwerten, wir wollen nicht zuletzt Beziehungen pflegen und erhalten. Menschlich allzu menschlich. Aber auch wirklich in einem guten Sinne?

Lügen ist menschlich und hilft uns dabei, Herausforderungen des Lebens zu bewältigen.

Doch haben wir auch Zweifel. Schließlich haben unsere Lügen auch Folgen. Was ist mit der Beziehung, die an einer andauernden Sprachlosigkeit zerbricht? Was ist mit den Lügen, die immer wieder neue Lügen erfordern, um nicht aufzufallen? Was ist, wenn der „Geschützte“ dies gar nicht wollte? Oder es überhaupt nicht die erwünschten „guten“ Folgen hat? Oder nicht zuletzt mit dem zerbrechlichen Gut des „Vertrauens“ zwischen den Menschen?

Lügen kann uns auch schaden, nicht immer gelingt es, dies angemessen abzuwägen.

Da ist der kurzfristige „Gewinn“ gegen den langfristigen Schaden. Da ist die Vermeidung des Konflikts gegen eine Chance zur Entwicklung der Beziehung. Da ist unsere unmittelbare Emotion gegen eine rationale Erwägung von Argumenten. Da ist ein leichtes und schnelles „Strahlen“ der eigenen Person gegen eine authentische und aufrichtige Persönlichkeit.

Kurzfristig scheinen wir eher zur Lüge zu neigen, auf lange Sicht suchen wir eher das gut überlegte moralische Argument.

Gelingt es uns, den ersten Impuls abzuwarten, können wir uns moralisch entscheiden. Eine Lüge im oben genannten Sinne mag moralisch geboten sein. Sie scheint es jedoch weit seltener, als wir tatsächlich lügen. Philosophierend sind wir dem Streben nach der Wahrheit verbunden. Als Menschen können wir uns entscheiden und unsere Motive und mögliche Folgen vorab überprüfen.

Prüfe, welche Wirklichkeit dem Leben angemessen ist!

Vielleicht gelingt es uns dann häufiger, wahrhaftig zu bleiben. Und uns die Freiheit zu Entwicklung zu schenken.

Darf ich manchmal Gewalt anwenden?

Wir suchen Beispiele für Gewalt, die uns gerechtfertigt vorkommt. Da erzählt jemand von Notwehr bei einem handgreiflichen Angriff auf die eigene Person. Aber damals habe er friedlich bleiben wollen – und mit einer blutenden Nase bezahlt. Eine andere erzählt, dass sie früher in der Schule dazu aufgefordert wurde, doch einmal zurück zu schlagen. Dieser Ansicht sei sie jedoch nun nicht mehr. Ein anderer erzählt von Beleidigungen und rassistischen Anfeindungen, auf die er mit Fäusten reagiert hat. Jedoch glaubt er heute, dass es bessere Antworten gibt.

Gerechtfertigt erscheint uns körperliche Gewalt gegenüber anderen, wenn die eigene Person bedroht ist.

Wir sprechen auch über andere Formen von Gewalt. Jemand erzählt, dass sie sehr viel Ausgrenzung erfahren hat als eine Form psychischer Gewalt. Oder ein anderer berichtet, wie er aus Wut einen Schrank zertrümmert hat. Und sie berichtet davon, dass physische Gewalt, wenn sie präventiv eingesetzt wird, weitere Gewalt verhindern kann. Gewalt kann viele Formen haben. Einige andere haben Zweifel, ob Gewalt hilfreich ist, wenn wir als Ziel weitgehende Gewaltlosigkeit anstreben.

Individuelle Gewalt mag manchmal gerechtfertigt erscheinen – für ein allgemeines Ziel von Gewaltlosigkeit scheint sie ungeeignet

Es scheint – wie so oft – einen Widerspruch zwischen individueller Praxis und einem erstrebenswerten Ideal zu geben, zwischen Moralität und Ethos. Als eine Lösung für dieses Dilemma erkennen wir das Konstrukt der Staatsgewalt. Jeder einzelne überträgt sein Recht auf Schutz der eigenen Person weitgehend auf eine juristische Institution. Nur haben sich die Hoffnungen auf eine gerechte – und damit gewaltfreie – Gesellschaft (vielleicht: noch) nicht erfüllt.

In einer idealen und damit gerechten Gesellschaft wäre die Frage der Gewalt gelöst und stellte sich nicht mehr den Individuen.

Doch es kommen auch Bedenken. Uns fallen zu viele dystopische Romane ein, in denen zwar allgemeine Gerechtigkeit zu herrschen scheint, Herrschaft als solche jedoch eher gewaltvoller ausgeübt wird. Wenn wir es mit der Gewaltlosigkeit ernst meinen, braucht es wohl mehr als eine gute Idee.

Bis dahin sind wir wohl auch stets auf’s Neue philosophisch herausgefordert, ob wir (manchmal) Gewalt anwenden dürfen.