Kann glücklich sein erlernt werden?

Wir suchen zunächst Beispiele für Erfahrungen von glücklich sein. Da bekommt einer die Kündigung und sitzt befreit vom Zwang der Arbeit am Rhein und fühlt sich glücklich. Da berichtet eine von ihrem Vater, der als „boat people“ das Glück hatte, dass es regnete und er nicht verdurstet ist. Da erzählt einer vom Kürbisrisotto, dass er gestern Abend nicht nur gekocht hat, sondern auch genießen konnte, welch ein Glück!

Wir erleben alle unterschiedliche Erfahrungen als Glück und wissen meist unmittelbar dass es so ist.

Manchmal fühlen wir uns unglücklich und wünschen Glück für die Zukunft. Manchmal merken wir erst später, wenn wir unglücklich sind, dass wir zuvor glücklich waren. Manchmal haben wir das Glück, dass uns das Glück sprichwörtlich „in die Wiege gelegt“ wird. Manchmal reicht es aus, dass wir „die Schale hinhalten“ und das Glück annehmen. Aber können wir auch etwas dazu tun, dass wir Glück erfahren?

Gerne möchten wir möglichst viele dieser glücklichen Momente erleben.

Wir diskutieren Beispiele für Glück, dass scheinbar vor jeder Erfahrung liegt. Woher wissen wir denn überhaupt, wenn wir glücklich sind, dass wir glücklich sind? Weil wir uns auf etwas beziehen können, dass wir als Menschen gar nicht lernen müssen? Dann aber wären wir verurteilt, dass wir entweder zu den Glücklichen oder zu den Unglücklichen gehören. Ein Hinweis geht darauf, dass wir möglicherweise glücklich sein in der sehr frühen Kindheit lernen, wenn wir keinen Einfluss darauf haben, wie gut wir uns fühlen.

Möglicherweise haben wir bereits glücklich sein gelernt, bevor wir darüber nachdenken können, was das Glück ist.

Das würde erklären, warum wir an unterschiedlichen Punkten über das Glück nachdenken. Manche von uns erleben das Glück als etwas Fernes und fast Unerreichbares. Manche von uns haben die Einschätzung, dass es lediglich der Achtsamkeit bedarf, das Glück wahrzunehmen, das bereits da ist. Und wir können uns nicht vorstellen, wie es Menschen geht, die jeden Tag um ihre Existenz fürchten.

Das Glück ist stets die Ausnahme, wir können lernen, dies zu akzeptieren.

Ist das Glück etwas Unerreichbares für uns, können wir zudem unsere Erwartungen an das Glück an unsere Erfahrungswirklichkeit anpassen. Und vielleicht entdecken wir dann den ein oder anderen glücklichen Moment.

Was dürfen wir hoffen?

Zunächst fällt uns das Wort „dürfen“ auf. Ist es eine moralische Frage, welche Hoffnungen wir haben? Dürfen wir vielleicht nicht alles hoffen? Was ist mit verwerflichen Hoffnungen? Wenn ich hoffe, anderen Menschen geschieht Leid? Ist es nicht immer so, dass jede Hoffnung mit ihrer Erfüllung Leid für andere bedeuten kann?

Wenn wir hoffen, dann trösten wir uns über einen unerfüllten Wunsch hinweg.

Vielleicht der Wunsch, immer gesund und heil zu sein, gar ewig zu leben. Oder der Wunsch für andere Menschen, die uns nah sind. Sind Hoffnungen also zunächst unschuldig? Wir gewinnen Kraft und Zuversicht, eine möglicherweise schwere Zeit zu überstehen. So hofft der Flüchtling im Boot ohne Trinkwasser auf den rettenden Regen. So hofft der Todkranke auf Heilung. So hofft der Reisende auf den pünktlichen Zug.

Wenn wir hoffen, stärken wir uns darin, einen zeitweiligen Mangel zu überstehen.

Oder wir können Kraft und Motivation gewinnen. Wir können auf ein gutes Prüfungsergebnis hoffen, nachdem wir die Klausur abgegeben haben. Haben wir uns gut genug vorbereitet? Ist es verwerflich zu hoffen, wenn wir uns nicht gut vorbereitet haben? Und dennoch: wir tun es einfach.

Wir hoffen spontan aus einem Gefühl heraus, dass es gut ausgeht für uns.

So ist die Hoffnung vielleicht ein moralisches Gefühl auf Besserung. Jedoch nicht immer ethisch gerechtfertigt, denn nicht jede Hoffnung stellt ein allgemeines Gut dar. Menschlich Allzumenschlich halt. Was können wir tun?

Wir können hoffen, dass unsere Hoffnungen Gutes in die Welt hinein tragen.

Dann bringen wir Zuversicht und Vertrauen in die Welt.

Haben Tiere ein Recht auf Leben und Unversehrtheit?

Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine vegane Ernährung. Die Gründe dafür sind unterschiedlich, manche persönlich, manche beanspruchen allgemein verbindlich zu sein.

Gelten die humanistischen Ideale, dass alle Wesen gleich viel wert sind und daher Anspruch darauf haben, nur um ihrer selbst willen zu sein, für alle Lebewesen gleichermaßen?

Wir sammeln Beispiele. Jemand erinnert sich daran, dass es in seiner Kindheit auf dem Land üblich war, mit den Tieren zu leben und auch manchmal eines davon zu schlachten und zu essen. Ein anderer erzählt die Geschichte, dass ein ganzes Dorf auf die Jagd ging und anschließend die Wildtiere in den Höfen und an den Straßen aufgehängt waren. Neugierig erkundeten die Kinder die toten Tierkörper.

Menschen und Tiere leben miteinander und manchmal voneinander.

Es gibt auch Widerspruch zu dieser Perspektive. Menschen in jochindustrialisierten Kulturen können sich entscheiden, auf Tiere als Nahrung zu verzichten. Oder zumindest Maß zu halten. Als Gründe hierfür werden das ökologische Argument und das Entsetzen über die industrielle Massentierhaltung genannt. Tiere sind hier ökonomisch verwertete Produkte, ihr Leben hat nur den Wert der Verwertbarkeit als Nahrungsmittel.

Es gibt ein ethisches Moment in der Ernährung. Wir sollten uns fragen, was wir essen wollen.

Wenn wir Tieren ein Recht zusprechen, müssen wir uns jedoch auch fragen, wie wir es mit der Zucht von Haustieren allgemein halten. Es ist schwierig zu bestimmen, was ein dem Tier gerechtes Leben eines Zuchtwelpen sein kann.

Es ist vielleicht weniger die Frage nach unveräußerliche Rechten der Tiere. Es scheint vielmehr die Frage notwendig zu stellen, in welcher ethischen Haltung wir Menschen in der Welt sein wollen.

Hier können wir fernab von ideologischen Diskussionen uns aufklären.

Warum bin ich neidisch auf andere?

Niemand gibt es gerne zu, wir alle sind es manchmal: neidisch. Und so beginnen wir das Gespräch mit Vorschlägen und Strategien, wie es gelingen kann nicht neidisch zu sein. Wir könnten dankbar sein für das, was wir erfahren dürfen. Wir könnten den anderen Menschen vielleicht erst einmal in seiner Gesamtheit sehen und nicht nur in dem einen Aspekt, um den wir ihn beneiden. Wir könnten uns mit dem anderen freuen.

Wir bewerten das Neid Gefühl negativ und sind bemüht es los zu werden (oder zumindest soll es niemand bemerken).

Aber ist das so? Finden wir auch Beispiele für „guten“ Neid? Ich vergleiche mich mit anderen, die mir ähnlich sind. Vielleicht verdiene ich weniger Geld als der andere. Möglicherweise strenge ich mich an, es ihm gleich zu tun. Oder ich merke bei Dritten an, dass es eine Ungerechtigkeit darstellt, möglicherweise fühle ich mich aufgrund einer persönlichen Eigenschaft diskriminiert.

Neid kann auch Motiv und Triebfeder sein für Entwicklung und Aktivierung meiner Fähigkeiten.

Im Grunde basieren viele Teilbereiche unserer Gesellschaft auf Neid. Das nächst größere Auto, der entferntere Urlaub mit dem schöneren Foto, das größere Haus, die bessere Unternehmens-Performance. Und Vielen mangelt es auch an lebensnotwendigen Dingen. Der Neid sagt: Du kannst auch alles haben, wenn du nur gut mitspielst.

Ist Neid einfach ein gut eingeübtes und damit erlerntes Gefühl?

Dennoch fallen uns Beispiele ein von sehr negativen Auswirkungen von Neid. Da sind Verbrechen aus Eifersucht und Missgunst, da ist aber auch die ungewollte und als Übergriff erfahrene „Bewunderung“ durch andere, wie zum Beispiel im Phänomen des „Stalking“. Hier scheint der Neid in ein Gefühl von unüberwindlicher Unterlegenheit und Schwäche zu führen.

Möglicherweise sind wir häufiger neidisch, wenn wir unsere eigenen Stärken vergessen.

Dann ist es unsere Entscheidung, entweder im Neid-Gefühl zu verbleiben oder etwas Anderes zu versuchen.

Ist es klug, im Leben nach Weisheit zu streben?

Wir starten mit Beispielen, was Weisheit für uns bedeutet. Als „weise“ wir zum Beispiel der erachtet, welcher vorausschauend handelt, das Gute im Blick hat, aus Erfahrung lernt, Erfahrungen auf andere Situationen übertragen kann, seine eigenen Werte kennt, aufrichtig zu sich selbst und anderen ist oder auch sein Nichtwissen in vielen Situationen anerkennt. Oft wird betont, dass Weisheit auch bedeutet anzuerkennen, eben meist nicht weise zu sein, aber danach zu streben.

Weisheit im Lebensvollzug bedeutet vielleicht vor allem, demütig anzuerkennen, meist nicht weise zu sein.

Weisheit kann auch von anderen wichtigen Tugenden abgegrenzt werden. Zum Beispiel von instrumentaler Klugheit, mit der wir unsere Ziele verfolgen und erreichen. Wir können zum Beispiel einen Bildungsabschlüsse erreichen, weil wir uns klug und sachlich richtig auf eine Prüfung vorbereiten. Oder im Beruf erfolgreich ein Projekt abschließen. Weisheit kommt hier vielleicht erst ins Spiel, wenn wir nicht erfolgreich sind. Oder wenn wir uns nicht dazu verführen lassen, unseren Erfolg für selbstverständlich zu nehmen.

Weisheit ermöglicht ein Nachdenken über das sonst Selbstverständliche.

Ein Streben nach Weisheit bedeutet die Frage nach dem Sinn des Wissens oder der Klugheit zu fragen. Ist es ein gutes Ziel, dass ich erreichen könnte? Wozu nutze ich mein Wissen? Ich bin zum Beispiel ein Lehrer und frage nach dem Bildungsziel für meine Schüler*innen. Ist es nicht das Ziel der jungen Menschen selbst, sich zu bilden? Gibt es überhaupt einen guten Grund, für andere Ziele zu setzen?

Wenn wir nach Weisheit streben, erhalten wir viele neue und unbequeme Fragen, die uns das Leben stellt.

Ist es also klug, nach Weisheit zu streben? Erst sehr spät im Gespräch kommen wir auf die Frage des Cafés zurück. Die Meinungen gehen auseinander. Zwischen „unbedingt“ und „ich kann nicht anders“ bis hin zu „oft ist es klug, nicht weise zu sein“ und „überleben ist manchmal zuerst dran.“

Wer philosophiert, dem ist der Wunsch nach Wissen und Wahrhaftigkeit wohl näher, als der klug errungene Erfolg.

Vielleicht ist es also nicht unbedingt klug, aber weise, nach Weisheit zu streben. Entscheiden Sie selbst!

Ist Anpassung eine Not oder eine Tugend?

Sie begegnet uns ständig und scheinbar überall: die Not oder Pflicht zur Anpassung. Noch ehe wir richtig gelernt haben selbst zu denken, haben wir uns an die verschiedensten Umstände anpassen gelernt. Vielleicht daher auch die unbedingte und explosive Geste der Jugend, sich um keinen Preis anpassen zu wollen.

Als Preis für die Anpassung, die uns teilhaben lässt, scheinen wir uns selbst zu verlieren.

Sind wir nothaft in diesem Dilemma gefangen, entweder uns selbst gerecht zu werden oder den anderen? Zunächst einmal lernen wir mit dieser Spannung umzugehen. Als Kinder, als Heranwachsende, ständig weiter als Erwachsene. Wir suchen uns Beziehungspartner und alltägliche Umgebung oder Arbeit, die zu uns selbst zu passen scheint.

Wir entwickeln unsere Fähigkeit, uns selbst zu realisieren als eine Reaktion auf die Anpassung an unsere Umwelt.

In vielerlei Hinsicht ist unser Selbstverständnis auf Anpassung begründet. Gesellschaftlich, moralisch, individuell. Gesellschaftlich grenzen wir unsere eigenen Werte von denen anderer Menschen ab oder verbinden uns als Wertegemeinschaft. Moralisch nutzen wir den Prozess der Anpassung als Gradmesser für unsere Lebensgestaltung. Wäre alles möglich, könnten wir alles mögliche angemessen empfinden. Individuell gehen wir in Anpassung, um Zuwendung zu erlangen und wir verweigern eine Anpassung, um Anerkennung zu erlangen.

Unser Verständnis des ich ist nicht durch Anpassung gefährdet, sondern entsteht erst durch die Not der Anpassung als eine konstruktive Geste der Person, die damit „ich“ begründet.

Ist es da überhaupt eine Tugend zu nennen, sich anzupassen. Sicher scheint es immer wieder überindividuell geboten, bestimmten Regeln zu folgen. Auch natürlich individuell existenziell. Jedoch wird deutlich, dass es keinen Widerspruch darstellt, wenn Anpassung zugleich eine Not und eine Tugend ist oder keins von beiden. Vielmehr wird eher einmal eine Tugend als eine Not zur Anpassung verstanden oder auch zur Nicht-Anpassung.

Weder Anpassung noch Nicht-Anpassung stehen dem ich entgegen. Sie konstruieren es.

Arbeiten wir um zu leben oder Leben wir um zu arbeiten?

Zunächst fällt uns auf, dass Arbeiten und Leben gar keinen Widerspruch darstellen, der es erlaubt, diese doppelte Alternative zu befragen. Wer arbeitet, lebt schließlich und wer lebt kommt nicht umhin, zu arbeiten. Zumindest, wenn wir den Arbeitsbegriff etwas weiter fassen und auch unbezahlte Arbeit, wie Care-Arbeit, künstlerisches Schaffen oder einfach das Konsumieren von Leistungen anderer mit einbezieht.

Weil ich arbeite lebe ich.

Allein um zu überleben müssen wir jeden Tag Arbeit aufwenden, um die Dinge des täglichen Bedarfs zu bekommen. Entweder als Selbstversorger oder als erwerbstätiger Konsument. Wir müssen Arbeit aufwenden, um die Natur zu verändern, damit wir Nahrung haben, eine Wohnung, damit wir uns bewegen können von einem Ort zum anderen. Ein ganzes Universum von Kulturgütern erschafft unser Leben, wie wir es kennen.

Leben ist mehr als Arbeit.

Wir sind uns einig, dass es zumindest in unserer Kultur auch Zeiten ohne Arbeit gibt. Wir nennen es Freizeit. Das scheint das Reich der Freiheit zu sein, wir machen schließlich, was wir wollen. Manche behaupten den Sinne des Lebens hier. Fern von Nutzen und Mehrwert-Ökonomie. Manche finden den Sinn ihres Daseins in ihrer Arbeit.

Arbeit bedeutet Geld, Identität, Anerkennung, Zugehörigkeit.

Wir finden, dass wir aus vielerlei Gründen nicht auf Arbeit verzichten wollen. Wir wünschen uns Dinge, die mit Geld zu bezahlen sind. Wir stellen uns nicht selten mit unserem Beruf bei anderen Menschen vor („Was machst du so?“). Wir bekommen Anerkennung für unsere Leistungen. Wir sind Teil einer durch Arbeit verbundenen Gesellschaft.

Worauf dürfen wir hoffen?

Kein Ausweg also? Vielleicht haben wir die Wahl: ein Wenig arbeiten wir um zu leben, erwerben die Freiheit der Entscheidung weiter zu arbeiten oder eben nicht. Eine Pause vielleicht. In der wir einfach nur so leben.

Wie sprechen wir über unser Begehren?

Wir sind uns zunächst nicht einig, was wir mit dem Wort „Begehren“bezeichnen. Es kann unsere sexuellen Wünsche meinen, aber aushandele Wünsche, wie Glück oder ein neues Auto oder nur eine Kugel Schokoladeneis. Wir suchen verschiedene ähnliche Worte, wie „Lust“, „Bedürfnis“, „Begierde“, „Sehnsucht“. Schließlich bleiben wir bei einer gewissen Unbestimmtheit.

Mit Begehren scheinen wir etwas noch nicht Bestimmtes zu bezeichnen, dass wir jedoch für die nahe Zukunft wollen.

Schokoladeneis, Lebensglück, eine*n Partner*in, eine schöne Wohnung. Wir können vieles begehren. Begehren kann spontan sein oder auch langfristig. Begehren strebt immer nach Erfüllung. Jedoch folgt auf die Erfüllung nicht immer das ersehnte Gefühl. Ich kann mein Begehren immer auch körperlich wahrnehmen. Manchmal sogar schmerzhaft oder leidvoll.

Begehren scheint sich stets auch den Körper, die Gefühle, Wahrnehmungen und Empfindungen einzuschließen.

Wenn wir über unser Begehren sprechen, ist es daher oft ein Wunsch oder gar ein Appell, den wir an andere richten. manchmal ist das lustvoll, auch für die andere. Ich fühle mich begehrt, ich begehre und mein Begehren wird erwidert. Manchmal ist es das nicht.

Mein Begehren ist das Begehren der anderen.

Mein Begehren, von anderen begehrt zu werden, kann ich auch auf andere Art befriedigen. Mit dem Besitz oder dem Wunsch nach Objekten, Dingen oder Substanzen kann ich mein Begehren kompensieren. Meist merke ich das jedoch schmerzlich. Ich brauche immer mehr davon. Die Erfüllung meines vorgeblichen Begehrens nutzt sich ab. Eine Wiederholung hilft nicht mehr.

Im Begehren nach Dingen oder Substanzen kann ich mein Begehren begehrt zu werden kurzfristig kompensieren.

Welchen Ausweg gibt es noch? Ich kann mein Begehren in der Schwebe halten. Mich äußern ohne den Appell nach Erfüllung?

Über mein Begehren sprechen ohne dabei die Erwartung auszudrücken, die andere möge mein Begehren erfüllen.

Was brauchen wir für ein gutes Zusammenleben?

Wir stellen uns der klassischen Frage und suchen nach Beispielen für ein gutes Zusammenleben. Da schenkt mir zum Beispiel ein Nachbar ein freundliches Wort im Treppenhaus. Da gebe ich jemandem in der Warteschlage meine Kinokarte, weil ich den Film schon gesehen habe und der Film nun bereits ausverkauft ist.

Wir können die Frage auch so stellen: Was brauche ich von anderen und was brauchen andere von mir?

Da scheint es sehr viel zu geben, dass ich von anderen brauche. Ich möchte akzeptiert werden, wie ich bin. Ich wünsche mir, dass die anderen zu mir ehrlich sind und mich für glaubwürdig halten. Meine Meinung soll gehört werden. Ich möchte in meinen Bedürfnissen gesehen werden und anerkannt.

Und auf der anderen Seite begegnen mir viele Erwartungen. Ich soll meine Aufgaben verlässlich ausführen und mich für andere erwartbar verhalten. Ich soll meine Rollen in der Gesellschaft oder in der Familie gut ausfüllen und einhalten. Vor allem soll ich keinen Streit anfangen.

Die wechselseitigen Erwartungen scheinen sehr hoch zu sein. Wie gehen wir damit um, wenn es nicht gelingt?

„Manchmal habe ich auch keine Lust mehr auf die anderen und schmeisse die Tür hinter mir zu!“ Richtig streiten und mal klar stellen, dass es gerade gar nicht für ein gutes Zusammen leben reicht, kann auch mal wichtig sein. Wir tun uns aber schwer damit.

Es sind zwei Meinungen dazu erkennbar: Einerseits werden Regeln und Sanktionen für das Zusammenleben gefordert. Es bleibt jedoch die wohl unlösbare Frage nach den allgemein verbindlichen Werten, welche die Regeln begründen und Sanktionen rechtfertigen. Andererseits wird der unbedingte Wunsch miteinander alles auszuhandeln gefordert, Neugier auf die Motive der anderen soll uns leiten, Argumente sollen solange ausgetauscht werden, bis wir im Konsens leben. Jedoch scheint der Prozess endlos und das Gespräch mit den vielen Milliarden Menschen zugleich unmöglich.

Vielleicht geht es im Rahmen eines sowohl-als-auch. Wenn ich mich und andere über meine Werte aufkläre, werde ich erkennbar in meinen Erwartungen und in meinem Verhalten. Ebenso ergeht es mir, wenn ich mich für die Werte der anderen interessiere. Vielleicht entstehen sogar gemeinsame Ziele?

Warum haben wir bloß immer keine Zeit?

Ausgangspunkt für unsere Frage ist die alltägliche Erfahrung, dass wir oft klagen über mangelnde Zeit für die Dinge des Lebens, die uns wichtig sind. Was sind die Gründe dafür? Nutzen wir unsere Zeit einfach nur nicht effizient genug? Oder ist der Gedanke, dass wir unsere Zeit immer sinnvoll verwenden sollen der Fehler?

Zeit scheint einerseits eine verfügbare Größe, die wir nach unseren Wünschen gestalten. Andererseits bleibt sie auch unverfügbar, wie unsere Lebenszeit, die wir nicht kennen.

Was macht die Verfügbarkeit von Zeit aus? Wir haben den Eindruck, dass wir die Gestalter unseres Alltags sind. Wir können uns verabreden oder auch nicht. Wir können zur Arbeit gehen oder wir leben genügsam mit wenig Geld. Wir können morgens früh mit Yoga aufstehen oder lieber lange schlafen. Wirklich?

Wir erleben auch Stress und Druck der Mitwelt. Andere Menschen bewerten unser Verhalten. Zeit wird als knappes Gut gehandelt und auf dem Markt der Zeitverfügbarkeit gibt es zahlreiche Vorschriften. Wer nicht fleißig arbeitet und seine Zeit scheinbar sinnlos vergeudet, wird negativ bewertet. Manchmal sogar ausgeschlossen. Das gilt auch für die Freizeitgestaltung. Einfach nur so mal nix tun fällt uns schwer.

Betrachten wir unsere Zeit als verfügbar, scheint sie uns schwer zu machen.

Auf der anderen Seite klagen wir über die Unverfügbarkeit der Zeit. Zu allererst bringt uns unsere Sterblichkeit in die Not, unsere Zeit sinnvoll zu nutzen. Was wäre, wenn unsere Zeit morgen abgelaufen ist? Haben wir unsere Zeit gut genutzt?

Doch auch hier scheint sich eine paradoxe Umkehrung einzuschleichen. Wozu sollen wir uns jeden Tag damit belasten, etwas „Wichtiges“ zu tun, wenn wir doch jeden Tag bereit sein müssen, Abschied zu nehmen?

Eine Akzeptanz der Unverfügbarkeit der Zeit macht uns das Leben leichter.

So können wir unsere Arbeit erledigen, einkaufen gehen, Kinder versorgen. Alles zu Zeiten, die uns vorgegeben sind. Müssen wir hingegen selbst unsere Zeit gestalten, stellen sich uns unmittelbar Sinnfragen. Was, wenn wir unsere Zeit verschwenden? Doch dann ist da auch die Erfahrung, einfach nur so zu sein mit sich oder mit anderen. Und wir haben keine Fragen.

Ist denn die Zeit einfach da, oder schaffen wir unsere Zeit selbst, als Menschen und als Gesellschaft, weil wir unsere Sinnfragen nicht beantworten können? Veränderung ist überall im Universum, so scheint die Zeit nicht still zu stehen, nichts bleibt so wie es ist. Doch das Universum ist gleichgültig uns gegenüber. Das die Veränderung der Welt uns betrifft, bleibt ein Wunsch.

So pendeln wir hin und her zwischen dem Wunsch, unsere Zeit sinnvoll zu gestalten, und dem Bedürfnis, frei zu sein von quälenden Fragen.

Und die Klage über die fehlende Zeit wird zur Leerstelle für die Unlösbarkeit der Sinnfrage. Vielleicht können wir der Frage nach der Zeit mit mehr Gelassenheit begegnen.