Wir stellen uns der klassischen Frage und suchen nach Beispielen für ein gutes Zusammenleben. Da schenkt mir zum Beispiel ein Nachbar ein freundliches Wort im Treppenhaus. Da gebe ich jemandem in der Warteschlage meine Kinokarte, weil ich den Film schon gesehen habe und der Film nun bereits ausverkauft ist.
Wir können die Frage auch so stellen: Was brauche ich von anderen und was brauchen andere von mir?
Da scheint es sehr viel zu geben, dass ich von anderen brauche. Ich möchte akzeptiert werden, wie ich bin. Ich wünsche mir, dass die anderen zu mir ehrlich sind und mich für glaubwürdig halten. Meine Meinung soll gehört werden. Ich möchte in meinen Bedürfnissen gesehen werden und anerkannt.
Und auf der anderen Seite begegnen mir viele Erwartungen. Ich soll meine Aufgaben verlässlich ausführen und mich für andere erwartbar verhalten. Ich soll meine Rollen in der Gesellschaft oder in der Familie gut ausfüllen und einhalten. Vor allem soll ich keinen Streit anfangen.
Die wechselseitigen Erwartungen scheinen sehr hoch zu sein. Wie gehen wir damit um, wenn es nicht gelingt?
„Manchmal habe ich auch keine Lust mehr auf die anderen und schmeisse die Tür hinter mir zu!“ Richtig streiten und mal klar stellen, dass es gerade gar nicht für ein gutes Zusammen leben reicht, kann auch mal wichtig sein. Wir tun uns aber schwer damit.
Es sind zwei Meinungen dazu erkennbar: Einerseits werden Regeln und Sanktionen für das Zusammenleben gefordert. Es bleibt jedoch die wohl unlösbare Frage nach den allgemein verbindlichen Werten, welche die Regeln begründen und Sanktionen rechtfertigen. Andererseits wird der unbedingte Wunsch miteinander alles auszuhandeln gefordert, Neugier auf die Motive der anderen soll uns leiten, Argumente sollen solange ausgetauscht werden, bis wir im Konsens leben. Jedoch scheint der Prozess endlos und das Gespräch mit den vielen Milliarden Menschen zugleich unmöglich.
Vielleicht geht es im Rahmen eines sowohl-als-auch. Wenn ich mich und andere über meine Werte aufkläre, werde ich erkennbar in meinen Erwartungen und in meinem Verhalten. Ebenso ergeht es mir, wenn ich mich für die Werte der anderen interessiere. Vielleicht entstehen sogar gemeinsame Ziele?