Gibt es die ewige Liebe?

Heute ist eine Antwort offensichtlich: Natürlich gibt es die ewige Liebe! Als Hoffnung, als Vorstellung, als Idee, als Wunsch. Aber finden wir auch Beispiele, in denen wir dies wirklich erfahren haben? Zumindest gibt es Hinweise. Da ist die Erfahrung einiger der elterlichen Liebe. Sie fühlen sich geliebt von den Eltern als Kinder und auch als Erwachsene. Vielleicht trägt diese Erfahrung der Liebe sogar über den Tod hinaus.

In der Liebe der Eltern finden wir ein Motiv bedingungsloser Liebe.

Da ist der Glaube an einen liebenden Gott oder eine andere spirituelle Erfahrung des geliebt Seins durch etwas Größeres als uns selbst. Der Idee nach sollte diese Liebe ewig sein. Doch es gibt auch Skepsis, ob wir davon Gewissheit haben können. Möglicherweise ist diese Vorstellung nur ein erdachter Trost. Vielleicht sogar hält uns diese Vorstellung davon ab, selbst zu lieben.

Auch im Glauben an einen liebenden Gott oder in einer spirituellen Erfahrung der Liebe finden wir Motive ewiger Liebe.

Schließlich finden wir auch in der Möglichkeit der Selbstliebe eine Möglichkeit „ewiger“ Liebe, zumindest lebenslang. Doch wir sind nicht einig, was diese Liebe zu sich selbst begründet. Ist es die elterliche Liebe? Die göttliche? Eine universelle Energie? Einige weisen darauf hin, dass wir zumeist eher geliebt sein wollen als selbst zu lieben.

Im Motiv der ewigen Liebe kann der Wunsch geliebt zu sein erkannt werden.

Nur wenn wir alle „ewig“ geliebt sein wollen, wer liebt dann? Wir kommen auf Beziehungsthemen zu sprechen. Es wird berichtet von Beziehungen, die nicht ewig dauern, sondern enden. Da ist die eine, bei der es trotz Trennung noch Gefühle von Liebe gibt. Da ist eine andere, nach der alle Hoffnung in eine andauernde tiefe Liebe verloren ist. Ist die romantische Liebe und eine darin begründete Beziehung überhaupt mit dem Ideal ewiger Liebe vereinbar?

Die romantische Liebe scheint der Vorstellung ewiger Liebe zu widersprechen.

Vielleicht sind verhandelte Beziehungen ohne romantische Gefühle eine Lösung? Oder ist es gerade anders herum, nur in der leidenschaftlichen Hingabe an einen anderen Menschen kann sich die ewige Liebe zeigen? Zumindest scheint die ewige Liebe nicht mit einer bestimmten Liebesbeziehung identisch, sondern Letztere ist vielleicht nur ein innerweltlicher Ausdruck ewiger Liebe.

Die erfahrene Liebe mag vielleicht ein Hinweis auf die Existenz der ewigen Liebe sein.

Wenn wir lieben können wir anderen diese Erfahrung ermöglichen. Vielleicht ist die ewige Liebe nichts weiter als die Gesamtheit der erfahrenen Liebe in der Welt.

Ist Anpassung eine Not oder eine Tugend?

Sie begegnet uns ständig und scheinbar überall: die Not oder Pflicht zur Anpassung. Noch ehe wir richtig gelernt haben selbst zu denken, haben wir uns an die verschiedensten Umstände anpassen gelernt. Vielleicht daher auch die unbedingte und explosive Geste der Jugend, sich um keinen Preis anpassen zu wollen.

Als Preis für die Anpassung, die uns teilhaben lässt, scheinen wir uns selbst zu verlieren.

Sind wir nothaft in diesem Dilemma gefangen, entweder uns selbst gerecht zu werden oder den anderen? Zunächst einmal lernen wir mit dieser Spannung umzugehen. Als Kinder, als Heranwachsende, ständig weiter als Erwachsene. Wir suchen uns Beziehungspartner und alltägliche Umgebung oder Arbeit, die zu uns selbst zu passen scheint.

Wir entwickeln unsere Fähigkeit, uns selbst zu realisieren als eine Reaktion auf die Anpassung an unsere Umwelt.

In vielerlei Hinsicht ist unser Selbstverständnis auf Anpassung begründet. Gesellschaftlich, moralisch, individuell. Gesellschaftlich grenzen wir unsere eigenen Werte von denen anderer Menschen ab oder verbinden uns als Wertegemeinschaft. Moralisch nutzen wir den Prozess der Anpassung als Gradmesser für unsere Lebensgestaltung. Wäre alles möglich, könnten wir alles mögliche angemessen empfinden. Individuell gehen wir in Anpassung, um Zuwendung zu erlangen und wir verweigern eine Anpassung, um Anerkennung zu erlangen.

Unser Verständnis des ich ist nicht durch Anpassung gefährdet, sondern entsteht erst durch die Not der Anpassung als eine konstruktive Geste der Person, die damit „ich“ begründet.

Ist es da überhaupt eine Tugend zu nennen, sich anzupassen. Sicher scheint es immer wieder überindividuell geboten, bestimmten Regeln zu folgen. Auch natürlich individuell existenziell. Jedoch wird deutlich, dass es keinen Widerspruch darstellt, wenn Anpassung zugleich eine Not und eine Tugend ist oder keins von beiden. Vielmehr wird eher einmal eine Tugend als eine Not zur Anpassung verstanden oder auch zur Nicht-Anpassung.

Weder Anpassung noch Nicht-Anpassung stehen dem ich entgegen. Sie konstruieren es.

Warum bleibt der Rest nicht still, wenn mensch liebt, den mensch will?

Was empfindest du, wenn dein Sohn dir seinen neuen Mann vorstellt? Wie verhältst du dich, wenn die freundlichen Nachbarinnen dich zu ihrer Hochzeit einladen? Schenkst du dem Kind, dass deine schwulen Freunde adoptiert haben auch einen Kuschelhasen? Was sagst du einer Freundin, die nun dein Freund sein möchte?

Wir haben viel erreicht in der Gesellschaft. Viele Lebensformen und geschlechtliche Identitäten erfahren mittlerweile Anerkennung, gesellschaftlich und juristisch. Und doch zeigt der teils laut und manchmal sogar feindselig ausgetragene gesellschaftliche Diskurs, dass wir noch nicht angekommen sind. Nicht angekommen in einer Gesellschaft, in der Menschen einfach den Menschen lieben, versorgen und das gemeinsame Leben teilen, ohne dass es darüber eines Diskurses bedarf.

Vielleicht haben wir schon immer eines gesellschaftlichen Diskurses bedurft, wenn es um die sexuellen Verhältnisse geht.

Wir fragen uns, warum das so ist.

Wir wollen zum Beispiel uns orientieren, wie wir unserem Nachbarn begegnen. Welche Werte werden gelebt, was wird von mir erwartet, was muss ich erwarten. Eine Vielfalt der sexuellen Verhältnisse kann auch verunsichern. So begegnen wir uns oft mit innerer Anspannung und Vorbehalten.

Der gesellschaftliche Diskurs um die sexuelle Liebe bedeutet für uns die Möglichkeit der Identitätsbildung. Wen und wie ich mensch liebe bedeutet auch immer einen wesentlichen Teil meines Selbstverständnisses. Ohne ein Außen, dass meine sexuelle Identität wahrnimmt und spiegelt, kann ich mein Selbstverhältnis nicht ausleben. Jedoch gibt es auch sehr negative oder ablehnende Bewertungen meiner sexuellen Identität. Diese können mich hindern, zu einem von mir auch wahrhaft empfundenen sexuellen Selbstverhältnis zu gelangen.

Regeln der sexuellen Verhältnisse haben auch stets einen Bezug zu Besitz und Herrschaft. Vor allem, wenn Kinder hinzu kommen, sichert der gesellschaftliche Diskurs Eigentum und Erbschaften. Wir können die jeweiligen gesellschaftlichen Herrschaftsdiskurse kritisieren und einzelne sogar ablehnen. Aber den Diskurs als solches können wir nicht beenden.

Auch braucht es den Diskurs, um Grenzen des Auslebens sexueller Lust festzulegen. Sexuelle Gewalt und sexuelle Ausbeutung wollen wir in der Gesellschaft möglichst unterbinden. Dies steht in Konflikt mit der Freiheit jedes Menschen, Intimes und Privates für sich behalten zu dürfen. Inzwischen ist so manche juristische Grenze verschoben worden, um diesen Konflikt gesellschaftlich zu befrieden.

Aus vielen Gründen ist der gesellschaftliche Diskurs um die sexuellen Verhältnisse der Einzelnen notwendig. Wir können dafür sorgen, dass der Diskurs friedlicher wird und allen Menschen einen angemessenen Raum ermöglicht, einfach mensch zu sein.

Wieviel bestimmen wir selbst, wer wir sind?

Wer wir sind, das wissen wir ja: Name, Alter, Geschlecht, Wohnort, Beruf, Partner*in, Kinder… Wieviel davon haben wir selbst bestimmt? Sind wir vielleicht nur die Zeugen unserer Biographie?

Die Beweislage ist erdrückend. Noch bevor wir den ersten Gedanken reflektieren, haben wir etwa zwei Jahrzehnte in Abhängigkeit von anderen Menschen gelebt. Wir haben gelernt, wie wir uns an die Bedingungen, die andere festlegen, anpassen, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Was wir als uns selbst bezeichnen, dass sind mühsam und leidvoll erworbene Anpassungsleistungen an die Welt, die wir nicht beeinflussen können. Noch dazu bildet sich unser „Selbst“ – ein Set von psychischen und leiblichen Bewältigungsmustern – in einer Zeit fast vollständig aus, in der wir besonders abhängig sind, in der Gebärmutter und einige Monate danach.

Überleben ist scheinbar alles, keine Spur von der Frage nach dem „guten Leben“?

Und doch taucht die Frage auf. Und die Frage spricht: Werde der du sein wirst! Wir spüren, wenn wir uns selbst nicht entsprechen. Wir spüren, wenn die Freiheit anklopft. Wir wollen „Selbst“ sein.

Ein Beispiel. Ich stehe an der roten Ampel. Die Straße ist menschenleer. Kein Auto, nicht einmal in der Ferne. Noch stehe ich hier. Ich bin auf mich selbst geworfen. Folge ich der Vernunft und warte oder folge ich meinem Impuls und fühle mich frei, die Regel zu brechen?

Es wird deutlich, dass sich kein „Nullpunkt“ für das sich selbst Bestimmen finden lässt.

Stets beziehe ich mich auf eine Regel. Ob ich sie befolge oder widerspreche, was daran bedeutet „mir selbst zu folgen“? Wohl am Meisten noch, dass ich überhaupt nicht daran denke, wie ich mich entscheide.

Noch ein Beispiel. Ich halte die Bio-Heidelbeeren in der Hand. Sie kommen von weit her. Wohl mit dem Flugzeug. Soll ich diese kaufen? Ich esse gerne Heidelbeeren. Auch gesund sollen sie sein. Aber ich will auch klimasensibel einkaufen. Wer bin ich „selbst“? Ich bestimme, dass ich heute die Heidelbeeren kaufe, aber in der nächsten Woche nicht.

Ich bestimme, wer ich selbst sein will und werde auch über eine Reflexion meiner Werte.

Ich habe das Gefühl, ich selbst zu sein, wenn ich auf meinen Werten bestehen und mein Handeln danach ausrichten kann. Und an den „Rändern“ meiner selbst scheint sich mein Selbst aufzulösen, wenn ich nicht mehr darüber nachsinne. Dann fühle ich mich auf eine besondere Art ebenfalls ganz „Selbst“.

Manchmal bin ich Zeuge. Und manchmal bin ich Selbst. Das Selbst ist keine Zugabe zur Person, dass diese besitzt. Eher ein Ausdruck innerer Stimmigkeit.