Warum bleibt der Rest nicht still, wenn mensch liebt, den mensch will?

Was empfindest du, wenn dein Sohn dir seinen neuen Mann vorstellt? Wie verhältst du dich, wenn die freundlichen Nachbarinnen dich zu ihrer Hochzeit einladen? Schenkst du dem Kind, dass deine schwulen Freunde adoptiert haben auch einen Kuschelhasen? Was sagst du einer Freundin, die nun dein Freund sein möchte?

Wir haben viel erreicht in der Gesellschaft. Viele Lebensformen und geschlechtliche Identitäten erfahren mittlerweile Anerkennung, gesellschaftlich und juristisch. Und doch zeigt der teils laut und manchmal sogar feindselig ausgetragene gesellschaftliche Diskurs, dass wir noch nicht angekommen sind. Nicht angekommen in einer Gesellschaft, in der Menschen einfach den Menschen lieben, versorgen und das gemeinsame Leben teilen, ohne dass es darüber eines Diskurses bedarf.

Vielleicht haben wir schon immer eines gesellschaftlichen Diskurses bedurft, wenn es um die sexuellen Verhältnisse geht.

Wir fragen uns, warum das so ist.

Wir wollen zum Beispiel uns orientieren, wie wir unserem Nachbarn begegnen. Welche Werte werden gelebt, was wird von mir erwartet, was muss ich erwarten. Eine Vielfalt der sexuellen Verhältnisse kann auch verunsichern. So begegnen wir uns oft mit innerer Anspannung und Vorbehalten.

Der gesellschaftliche Diskurs um die sexuelle Liebe bedeutet für uns die Möglichkeit der Identitätsbildung. Wen und wie ich mensch liebe bedeutet auch immer einen wesentlichen Teil meines Selbstverständnisses. Ohne ein Außen, dass meine sexuelle Identität wahrnimmt und spiegelt, kann ich mein Selbstverhältnis nicht ausleben. Jedoch gibt es auch sehr negative oder ablehnende Bewertungen meiner sexuellen Identität. Diese können mich hindern, zu einem von mir auch wahrhaft empfundenen sexuellen Selbstverhältnis zu gelangen.

Regeln der sexuellen Verhältnisse haben auch stets einen Bezug zu Besitz und Herrschaft. Vor allem, wenn Kinder hinzu kommen, sichert der gesellschaftliche Diskurs Eigentum und Erbschaften. Wir können die jeweiligen gesellschaftlichen Herrschaftsdiskurse kritisieren und einzelne sogar ablehnen. Aber den Diskurs als solches können wir nicht beenden.

Auch braucht es den Diskurs, um Grenzen des Auslebens sexueller Lust festzulegen. Sexuelle Gewalt und sexuelle Ausbeutung wollen wir in der Gesellschaft möglichst unterbinden. Dies steht in Konflikt mit der Freiheit jedes Menschen, Intimes und Privates für sich behalten zu dürfen. Inzwischen ist so manche juristische Grenze verschoben worden, um diesen Konflikt gesellschaftlich zu befrieden.

Aus vielen Gründen ist der gesellschaftliche Diskurs um die sexuellen Verhältnisse der Einzelnen notwendig. Wir können dafür sorgen, dass der Diskurs friedlicher wird und allen Menschen einen angemessenen Raum ermöglicht, einfach mensch zu sein.

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