Wieviel bestimmen wir selbst, wer wir sind?

Wer wir sind, das wissen wir ja: Name, Alter, Geschlecht, Wohnort, Beruf, Partner*in, Kinder… Wieviel davon haben wir selbst bestimmt? Sind wir vielleicht nur die Zeugen unserer Biographie?

Die Beweislage ist erdrückend. Noch bevor wir den ersten Gedanken reflektieren, haben wir etwa zwei Jahrzehnte in Abhängigkeit von anderen Menschen gelebt. Wir haben gelernt, wie wir uns an die Bedingungen, die andere festlegen, anpassen, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Was wir als uns selbst bezeichnen, dass sind mühsam und leidvoll erworbene Anpassungsleistungen an die Welt, die wir nicht beeinflussen können. Noch dazu bildet sich unser „Selbst“ – ein Set von psychischen und leiblichen Bewältigungsmustern – in einer Zeit fast vollständig aus, in der wir besonders abhängig sind, in der Gebärmutter und einige Monate danach.

Überleben ist scheinbar alles, keine Spur von der Frage nach dem „guten Leben“?

Und doch taucht die Frage auf. Und die Frage spricht: Werde der du sein wirst! Wir spüren, wenn wir uns selbst nicht entsprechen. Wir spüren, wenn die Freiheit anklopft. Wir wollen „Selbst“ sein.

Ein Beispiel. Ich stehe an der roten Ampel. Die Straße ist menschenleer. Kein Auto, nicht einmal in der Ferne. Noch stehe ich hier. Ich bin auf mich selbst geworfen. Folge ich der Vernunft und warte oder folge ich meinem Impuls und fühle mich frei, die Regel zu brechen?

Es wird deutlich, dass sich kein „Nullpunkt“ für das sich selbst Bestimmen finden lässt.

Stets beziehe ich mich auf eine Regel. Ob ich sie befolge oder widerspreche, was daran bedeutet „mir selbst zu folgen“? Wohl am Meisten noch, dass ich überhaupt nicht daran denke, wie ich mich entscheide.

Noch ein Beispiel. Ich halte die Bio-Heidelbeeren in der Hand. Sie kommen von weit her. Wohl mit dem Flugzeug. Soll ich diese kaufen? Ich esse gerne Heidelbeeren. Auch gesund sollen sie sein. Aber ich will auch klimasensibel einkaufen. Wer bin ich „selbst“? Ich bestimme, dass ich heute die Heidelbeeren kaufe, aber in der nächsten Woche nicht.

Ich bestimme, wer ich selbst sein will und werde auch über eine Reflexion meiner Werte.

Ich habe das Gefühl, ich selbst zu sein, wenn ich auf meinen Werten bestehen und mein Handeln danach ausrichten kann. Und an den „Rändern“ meiner selbst scheint sich mein Selbst aufzulösen, wenn ich nicht mehr darüber nachsinne. Dann fühle ich mich auf eine besondere Art ebenfalls ganz „Selbst“.

Manchmal bin ich Zeuge. Und manchmal bin ich Selbst. Das Selbst ist keine Zugabe zur Person, dass diese besitzt. Eher ein Ausdruck innerer Stimmigkeit.

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