Ist es klug, im Leben nach Weisheit zu streben?

Wir starten mit Beispielen, was Weisheit für uns bedeutet. Als „weise“ wir zum Beispiel der erachtet, welcher vorausschauend handelt, das Gute im Blick hat, aus Erfahrung lernt, Erfahrungen auf andere Situationen übertragen kann, seine eigenen Werte kennt, aufrichtig zu sich selbst und anderen ist oder auch sein Nichtwissen in vielen Situationen anerkennt. Oft wird betont, dass Weisheit auch bedeutet anzuerkennen, eben meist nicht weise zu sein, aber danach zu streben.

Weisheit im Lebensvollzug bedeutet vielleicht vor allem, demütig anzuerkennen, meist nicht weise zu sein.

Weisheit kann auch von anderen wichtigen Tugenden abgegrenzt werden. Zum Beispiel von instrumentaler Klugheit, mit der wir unsere Ziele verfolgen und erreichen. Wir können zum Beispiel einen Bildungsabschlüsse erreichen, weil wir uns klug und sachlich richtig auf eine Prüfung vorbereiten. Oder im Beruf erfolgreich ein Projekt abschließen. Weisheit kommt hier vielleicht erst ins Spiel, wenn wir nicht erfolgreich sind. Oder wenn wir uns nicht dazu verführen lassen, unseren Erfolg für selbstverständlich zu nehmen.

Weisheit ermöglicht ein Nachdenken über das sonst Selbstverständliche.

Ein Streben nach Weisheit bedeutet die Frage nach dem Sinn des Wissens oder der Klugheit zu fragen. Ist es ein gutes Ziel, dass ich erreichen könnte? Wozu nutze ich mein Wissen? Ich bin zum Beispiel ein Lehrer und frage nach dem Bildungsziel für meine Schüler*innen. Ist es nicht das Ziel der jungen Menschen selbst, sich zu bilden? Gibt es überhaupt einen guten Grund, für andere Ziele zu setzen?

Wenn wir nach Weisheit streben, erhalten wir viele neue und unbequeme Fragen, die uns das Leben stellt.

Ist es also klug, nach Weisheit zu streben? Erst sehr spät im Gespräch kommen wir auf die Frage des Cafés zurück. Die Meinungen gehen auseinander. Zwischen „unbedingt“ und „ich kann nicht anders“ bis hin zu „oft ist es klug, nicht weise zu sein“ und „überleben ist manchmal zuerst dran.“

Wer philosophiert, dem ist der Wunsch nach Wissen und Wahrhaftigkeit wohl näher, als der klug errungene Erfolg.

Vielleicht ist es also nicht unbedingt klug, aber weise, nach Weisheit zu streben. Entscheiden Sie selbst!

Ist Anpassung eine Not oder eine Tugend?

Sie begegnet uns ständig und scheinbar überall: die Not oder Pflicht zur Anpassung. Noch ehe wir richtig gelernt haben selbst zu denken, haben wir uns an die verschiedensten Umstände anpassen gelernt. Vielleicht daher auch die unbedingte und explosive Geste der Jugend, sich um keinen Preis anpassen zu wollen.

Als Preis für die Anpassung, die uns teilhaben lässt, scheinen wir uns selbst zu verlieren.

Sind wir nothaft in diesem Dilemma gefangen, entweder uns selbst gerecht zu werden oder den anderen? Zunächst einmal lernen wir mit dieser Spannung umzugehen. Als Kinder, als Heranwachsende, ständig weiter als Erwachsene. Wir suchen uns Beziehungspartner und alltägliche Umgebung oder Arbeit, die zu uns selbst zu passen scheint.

Wir entwickeln unsere Fähigkeit, uns selbst zu realisieren als eine Reaktion auf die Anpassung an unsere Umwelt.

In vielerlei Hinsicht ist unser Selbstverständnis auf Anpassung begründet. Gesellschaftlich, moralisch, individuell. Gesellschaftlich grenzen wir unsere eigenen Werte von denen anderer Menschen ab oder verbinden uns als Wertegemeinschaft. Moralisch nutzen wir den Prozess der Anpassung als Gradmesser für unsere Lebensgestaltung. Wäre alles möglich, könnten wir alles mögliche angemessen empfinden. Individuell gehen wir in Anpassung, um Zuwendung zu erlangen und wir verweigern eine Anpassung, um Anerkennung zu erlangen.

Unser Verständnis des ich ist nicht durch Anpassung gefährdet, sondern entsteht erst durch die Not der Anpassung als eine konstruktive Geste der Person, die damit „ich“ begründet.

Ist es da überhaupt eine Tugend zu nennen, sich anzupassen. Sicher scheint es immer wieder überindividuell geboten, bestimmten Regeln zu folgen. Auch natürlich individuell existenziell. Jedoch wird deutlich, dass es keinen Widerspruch darstellt, wenn Anpassung zugleich eine Not und eine Tugend ist oder keins von beiden. Vielmehr wird eher einmal eine Tugend als eine Not zur Anpassung verstanden oder auch zur Nicht-Anpassung.

Weder Anpassung noch Nicht-Anpassung stehen dem ich entgegen. Sie konstruieren es.

Arbeiten wir um zu leben oder Leben wir um zu arbeiten?

Zunächst fällt uns auf, dass Arbeiten und Leben gar keinen Widerspruch darstellen, der es erlaubt, diese doppelte Alternative zu befragen. Wer arbeitet, lebt schließlich und wer lebt kommt nicht umhin, zu arbeiten. Zumindest, wenn wir den Arbeitsbegriff etwas weiter fassen und auch unbezahlte Arbeit, wie Care-Arbeit, künstlerisches Schaffen oder einfach das Konsumieren von Leistungen anderer mit einbezieht.

Weil ich arbeite lebe ich.

Allein um zu überleben müssen wir jeden Tag Arbeit aufwenden, um die Dinge des täglichen Bedarfs zu bekommen. Entweder als Selbstversorger oder als erwerbstätiger Konsument. Wir müssen Arbeit aufwenden, um die Natur zu verändern, damit wir Nahrung haben, eine Wohnung, damit wir uns bewegen können von einem Ort zum anderen. Ein ganzes Universum von Kulturgütern erschafft unser Leben, wie wir es kennen.

Leben ist mehr als Arbeit.

Wir sind uns einig, dass es zumindest in unserer Kultur auch Zeiten ohne Arbeit gibt. Wir nennen es Freizeit. Das scheint das Reich der Freiheit zu sein, wir machen schließlich, was wir wollen. Manche behaupten den Sinne des Lebens hier. Fern von Nutzen und Mehrwert-Ökonomie. Manche finden den Sinn ihres Daseins in ihrer Arbeit.

Arbeit bedeutet Geld, Identität, Anerkennung, Zugehörigkeit.

Wir finden, dass wir aus vielerlei Gründen nicht auf Arbeit verzichten wollen. Wir wünschen uns Dinge, die mit Geld zu bezahlen sind. Wir stellen uns nicht selten mit unserem Beruf bei anderen Menschen vor („Was machst du so?“). Wir bekommen Anerkennung für unsere Leistungen. Wir sind Teil einer durch Arbeit verbundenen Gesellschaft.

Worauf dürfen wir hoffen?

Kein Ausweg also? Vielleicht haben wir die Wahl: ein Wenig arbeiten wir um zu leben, erwerben die Freiheit der Entscheidung weiter zu arbeiten oder eben nicht. Eine Pause vielleicht. In der wir einfach nur so leben.

Wie sprechen wir über unser Begehren?

Wir sind uns zunächst nicht einig, was wir mit dem Wort „Begehren“bezeichnen. Es kann unsere sexuellen Wünsche meinen, aber aushandele Wünsche, wie Glück oder ein neues Auto oder nur eine Kugel Schokoladeneis. Wir suchen verschiedene ähnliche Worte, wie „Lust“, „Bedürfnis“, „Begierde“, „Sehnsucht“. Schließlich bleiben wir bei einer gewissen Unbestimmtheit.

Mit Begehren scheinen wir etwas noch nicht Bestimmtes zu bezeichnen, dass wir jedoch für die nahe Zukunft wollen.

Schokoladeneis, Lebensglück, eine*n Partner*in, eine schöne Wohnung. Wir können vieles begehren. Begehren kann spontan sein oder auch langfristig. Begehren strebt immer nach Erfüllung. Jedoch folgt auf die Erfüllung nicht immer das ersehnte Gefühl. Ich kann mein Begehren immer auch körperlich wahrnehmen. Manchmal sogar schmerzhaft oder leidvoll.

Begehren scheint sich stets auch den Körper, die Gefühle, Wahrnehmungen und Empfindungen einzuschließen.

Wenn wir über unser Begehren sprechen, ist es daher oft ein Wunsch oder gar ein Appell, den wir an andere richten. manchmal ist das lustvoll, auch für die andere. Ich fühle mich begehrt, ich begehre und mein Begehren wird erwidert. Manchmal ist es das nicht.

Mein Begehren ist das Begehren der anderen.

Mein Begehren, von anderen begehrt zu werden, kann ich auch auf andere Art befriedigen. Mit dem Besitz oder dem Wunsch nach Objekten, Dingen oder Substanzen kann ich mein Begehren kompensieren. Meist merke ich das jedoch schmerzlich. Ich brauche immer mehr davon. Die Erfüllung meines vorgeblichen Begehrens nutzt sich ab. Eine Wiederholung hilft nicht mehr.

Im Begehren nach Dingen oder Substanzen kann ich mein Begehren begehrt zu werden kurzfristig kompensieren.

Welchen Ausweg gibt es noch? Ich kann mein Begehren in der Schwebe halten. Mich äußern ohne den Appell nach Erfüllung?

Über mein Begehren sprechen ohne dabei die Erwartung auszudrücken, die andere möge mein Begehren erfüllen.

Was brauchen wir für ein gutes Zusammenleben?

Wir stellen uns der klassischen Frage und suchen nach Beispielen für ein gutes Zusammenleben. Da schenkt mir zum Beispiel ein Nachbar ein freundliches Wort im Treppenhaus. Da gebe ich jemandem in der Warteschlage meine Kinokarte, weil ich den Film schon gesehen habe und der Film nun bereits ausverkauft ist.

Wir können die Frage auch so stellen: Was brauche ich von anderen und was brauchen andere von mir?

Da scheint es sehr viel zu geben, dass ich von anderen brauche. Ich möchte akzeptiert werden, wie ich bin. Ich wünsche mir, dass die anderen zu mir ehrlich sind und mich für glaubwürdig halten. Meine Meinung soll gehört werden. Ich möchte in meinen Bedürfnissen gesehen werden und anerkannt.

Und auf der anderen Seite begegnen mir viele Erwartungen. Ich soll meine Aufgaben verlässlich ausführen und mich für andere erwartbar verhalten. Ich soll meine Rollen in der Gesellschaft oder in der Familie gut ausfüllen und einhalten. Vor allem soll ich keinen Streit anfangen.

Die wechselseitigen Erwartungen scheinen sehr hoch zu sein. Wie gehen wir damit um, wenn es nicht gelingt?

„Manchmal habe ich auch keine Lust mehr auf die anderen und schmeisse die Tür hinter mir zu!“ Richtig streiten und mal klar stellen, dass es gerade gar nicht für ein gutes Zusammen leben reicht, kann auch mal wichtig sein. Wir tun uns aber schwer damit.

Es sind zwei Meinungen dazu erkennbar: Einerseits werden Regeln und Sanktionen für das Zusammenleben gefordert. Es bleibt jedoch die wohl unlösbare Frage nach den allgemein verbindlichen Werten, welche die Regeln begründen und Sanktionen rechtfertigen. Andererseits wird der unbedingte Wunsch miteinander alles auszuhandeln gefordert, Neugier auf die Motive der anderen soll uns leiten, Argumente sollen solange ausgetauscht werden, bis wir im Konsens leben. Jedoch scheint der Prozess endlos und das Gespräch mit den vielen Milliarden Menschen zugleich unmöglich.

Vielleicht geht es im Rahmen eines sowohl-als-auch. Wenn ich mich und andere über meine Werte aufkläre, werde ich erkennbar in meinen Erwartungen und in meinem Verhalten. Ebenso ergeht es mir, wenn ich mich für die Werte der anderen interessiere. Vielleicht entstehen sogar gemeinsame Ziele?

Warum haben wir bloß immer keine Zeit?

Ausgangspunkt für unsere Frage ist die alltägliche Erfahrung, dass wir oft klagen über mangelnde Zeit für die Dinge des Lebens, die uns wichtig sind. Was sind die Gründe dafür? Nutzen wir unsere Zeit einfach nur nicht effizient genug? Oder ist der Gedanke, dass wir unsere Zeit immer sinnvoll verwenden sollen der Fehler?

Zeit scheint einerseits eine verfügbare Größe, die wir nach unseren Wünschen gestalten. Andererseits bleibt sie auch unverfügbar, wie unsere Lebenszeit, die wir nicht kennen.

Was macht die Verfügbarkeit von Zeit aus? Wir haben den Eindruck, dass wir die Gestalter unseres Alltags sind. Wir können uns verabreden oder auch nicht. Wir können zur Arbeit gehen oder wir leben genügsam mit wenig Geld. Wir können morgens früh mit Yoga aufstehen oder lieber lange schlafen. Wirklich?

Wir erleben auch Stress und Druck der Mitwelt. Andere Menschen bewerten unser Verhalten. Zeit wird als knappes Gut gehandelt und auf dem Markt der Zeitverfügbarkeit gibt es zahlreiche Vorschriften. Wer nicht fleißig arbeitet und seine Zeit scheinbar sinnlos vergeudet, wird negativ bewertet. Manchmal sogar ausgeschlossen. Das gilt auch für die Freizeitgestaltung. Einfach nur so mal nix tun fällt uns schwer.

Betrachten wir unsere Zeit als verfügbar, scheint sie uns schwer zu machen.

Auf der anderen Seite klagen wir über die Unverfügbarkeit der Zeit. Zu allererst bringt uns unsere Sterblichkeit in die Not, unsere Zeit sinnvoll zu nutzen. Was wäre, wenn unsere Zeit morgen abgelaufen ist? Haben wir unsere Zeit gut genutzt?

Doch auch hier scheint sich eine paradoxe Umkehrung einzuschleichen. Wozu sollen wir uns jeden Tag damit belasten, etwas „Wichtiges“ zu tun, wenn wir doch jeden Tag bereit sein müssen, Abschied zu nehmen?

Eine Akzeptanz der Unverfügbarkeit der Zeit macht uns das Leben leichter.

So können wir unsere Arbeit erledigen, einkaufen gehen, Kinder versorgen. Alles zu Zeiten, die uns vorgegeben sind. Müssen wir hingegen selbst unsere Zeit gestalten, stellen sich uns unmittelbar Sinnfragen. Was, wenn wir unsere Zeit verschwenden? Doch dann ist da auch die Erfahrung, einfach nur so zu sein mit sich oder mit anderen. Und wir haben keine Fragen.

Ist denn die Zeit einfach da, oder schaffen wir unsere Zeit selbst, als Menschen und als Gesellschaft, weil wir unsere Sinnfragen nicht beantworten können? Veränderung ist überall im Universum, so scheint die Zeit nicht still zu stehen, nichts bleibt so wie es ist. Doch das Universum ist gleichgültig uns gegenüber. Das die Veränderung der Welt uns betrifft, bleibt ein Wunsch.

So pendeln wir hin und her zwischen dem Wunsch, unsere Zeit sinnvoll zu gestalten, und dem Bedürfnis, frei zu sein von quälenden Fragen.

Und die Klage über die fehlende Zeit wird zur Leerstelle für die Unlösbarkeit der Sinnfrage. Vielleicht können wir der Frage nach der Zeit mit mehr Gelassenheit begegnen.

Verhindern die Baby-Boomer den notwendigen ökologischen und sozialen Wandel in der Gesellschaft?

Zunächst finden wir im Gespräch einige Begründungen dafür, warum die Generation der 60er und 70er den Wandel nicht bereits herbei geführt haben. Sie haben gelebt, geheiratet, Kinder aufgezogen, das Geld dafür verdient. Auch waren die Zeichen für den ökologischen Wandel noch abstrakt. Es finden sich auch resignative oder gar depressive Elemente in den biographischen Erzählungen.

Aber haben die heute 50 und 60jährigen nicht die Macht inne gegenwärtig?

Inzwischen ist klar, viele Gelegenheiten sind verpasst worden. Die Energiewende hat schlapp gemacht. Die Verkehrswende auch. Die soziale Schere geht weiter denn je auseinander. Das sind keine Unterlassungen, sondern es sind die Lösungen der Politik der letzten 30 Jahre.

Wie konnte das passieren?

Wir finden im Gespräch weitere Anhaltspunkte. Wir sind überfordert mit der Vielzahl an Informationen. Deshalb nennen wir den notwendigen Wandel eine Krise. Wenn wir hier in Düsseldorf oder auch im ganzen Land sofort klimaneutral sind, was wäre dann global geändert? Doch nicht einmal das ist vorstellbar.

Wir können uns den Wandel nicht vorstellen, weil wir uns veränderte Welt nicht vorstellen können.

Es gibt die Anregung, selbst einfach anzufangen. Wo auch immer. Fahrrad fahren, vegan leben, Ökostrom kaufen, mit den Nachbarn Werkzeuge teilen, sozial Ausgegrenzte Menschen zur Teilhabe einladen… viele machen das bereits, einige zögern, einige sind skeptisch. Gilt es nicht den „großen Wurf“ politisch hinzubekommen? In Klimakonferenzen wird nur verteilt, was eh schon geschehen ist, sagen manche.

Die Gründe für ein Nichthandeln sind scheinbar die gleichen geblieben wie in den 70ern und 80ern.

Wir gehen diesmal auseinander ohne ein gutes Bild für einen Wandel. Vielleicht müssen wir die Frage anders stellen?

Warum bleibt der Rest nicht still, wenn mensch liebt, den mensch will?

Was empfindest du, wenn dein Sohn dir seinen neuen Mann vorstellt? Wie verhältst du dich, wenn die freundlichen Nachbarinnen dich zu ihrer Hochzeit einladen? Schenkst du dem Kind, dass deine schwulen Freunde adoptiert haben auch einen Kuschelhasen? Was sagst du einer Freundin, die nun dein Freund sein möchte?

Wir haben viel erreicht in der Gesellschaft. Viele Lebensformen und geschlechtliche Identitäten erfahren mittlerweile Anerkennung, gesellschaftlich und juristisch. Und doch zeigt der teils laut und manchmal sogar feindselig ausgetragene gesellschaftliche Diskurs, dass wir noch nicht angekommen sind. Nicht angekommen in einer Gesellschaft, in der Menschen einfach den Menschen lieben, versorgen und das gemeinsame Leben teilen, ohne dass es darüber eines Diskurses bedarf.

Vielleicht haben wir schon immer eines gesellschaftlichen Diskurses bedurft, wenn es um die sexuellen Verhältnisse geht.

Wir fragen uns, warum das so ist.

Wir wollen zum Beispiel uns orientieren, wie wir unserem Nachbarn begegnen. Welche Werte werden gelebt, was wird von mir erwartet, was muss ich erwarten. Eine Vielfalt der sexuellen Verhältnisse kann auch verunsichern. So begegnen wir uns oft mit innerer Anspannung und Vorbehalten.

Der gesellschaftliche Diskurs um die sexuelle Liebe bedeutet für uns die Möglichkeit der Identitätsbildung. Wen und wie ich mensch liebe bedeutet auch immer einen wesentlichen Teil meines Selbstverständnisses. Ohne ein Außen, dass meine sexuelle Identität wahrnimmt und spiegelt, kann ich mein Selbstverhältnis nicht ausleben. Jedoch gibt es auch sehr negative oder ablehnende Bewertungen meiner sexuellen Identität. Diese können mich hindern, zu einem von mir auch wahrhaft empfundenen sexuellen Selbstverhältnis zu gelangen.

Regeln der sexuellen Verhältnisse haben auch stets einen Bezug zu Besitz und Herrschaft. Vor allem, wenn Kinder hinzu kommen, sichert der gesellschaftliche Diskurs Eigentum und Erbschaften. Wir können die jeweiligen gesellschaftlichen Herrschaftsdiskurse kritisieren und einzelne sogar ablehnen. Aber den Diskurs als solches können wir nicht beenden.

Auch braucht es den Diskurs, um Grenzen des Auslebens sexueller Lust festzulegen. Sexuelle Gewalt und sexuelle Ausbeutung wollen wir in der Gesellschaft möglichst unterbinden. Dies steht in Konflikt mit der Freiheit jedes Menschen, Intimes und Privates für sich behalten zu dürfen. Inzwischen ist so manche juristische Grenze verschoben worden, um diesen Konflikt gesellschaftlich zu befrieden.

Aus vielen Gründen ist der gesellschaftliche Diskurs um die sexuellen Verhältnisse der Einzelnen notwendig. Wir können dafür sorgen, dass der Diskurs friedlicher wird und allen Menschen einen angemessenen Raum ermöglicht, einfach mensch zu sein.

Wie frei sind wir wirklich in unserem Denken und Handeln?

Es heißt: Die Gedanken sind frei. Dennoch nehmen wir wahr, dass wir eingebunden sind in Muster des Verstehens, des Beschreibens von Wirklichkeit, des Handelns. Wir sind auf andere Menschen angewiesen und richten unser Denken auf den Erhalt von Beziehungen und die Wahrung von Ressourcen.

Wir entwickeln als Menschen unser Denken parallel zu unseren Erfahrungen, die sich aus unseren Handlungen ergeben.

Ich kann mich vom Arbeitsleben als Angestellte befreien und mich selbständig machen. Doch erfahre ich bald, dass ich in meinem Handlungen nicht frei bin, sondern eingebunden in die Erwartungen meiner Kunden. Auch mein Denken zielt sehr bald darauf ab, die Kundenwünsche zu erfüllen, um in meiner selbständigen Tätigkeit erfolgreich zu sein.

Ich kann in der Liebe zwar darüber nachdenken, anstatt mit Anna mit Leonie zusammen zu sein. Aber wenn ich danach handeln will, treffe ich eine Entscheidung, die meine Freiheit für zukünftige Handlungen nicht vergrößert. Auch ist es weniger denkbar, nach meiner Entscheidung für Leonie erneut über eine Rückkehr zu Anna nachzudenken.

Vieles in meinem Denken scheint bereits in der Kindheit angelegt zu werden. Sitze ich bei meiner Mutter auf dem Sofa, werde ich vielleicht wieder zum Kind. Die Erwartungen anderer Menschen zu verändern, ist mir nur schwer möglich.

Ich scheine gefangen in den Denk- und Handlungsmustern meiner Biographie. Einer Biographie, die ich größtenteils nicht selbst geschrieben habe.

Und dennoch habe ich das sichere Gefühl, dass es einen Spalt gibt zwischen den vielen Bedingungen und Erfahrungen des Lebens, der meine Freiheit ausmacht. Ich kann mich eben doch, so oder so entscheiden. Ich kann darüber nachdenken. Ich kann mein Handeln nach meinen Überlegungen ausrichten. Nicht immer. Aber doch auch.

Ich kann mein Handeln nach meinen Werten beurteilen und meine Freiheit ausüben.

Dies zu tun, jeden Tag ein wenig, ist die Bedeutung von Philosophieren.

Wie können wir uns eine Ökonomie der Zukunft vorstellen?

Wir haben den Eindruck, dass unsere Art zu leben, zu handeln und zu wirtschaften verändert werden muss. Ein „weiter so“ bedeutet wahrscheinlich eine weitgehende Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Das erfahren wir von den Wissenschaften. Auch ist unsere Wahrnehmung so, dass mehr Krisen und Naturkatastrophen sich ereignen, auch bei uns.

Aber es braucht nicht nur den Impuls, dass es nicht so weiter geht – es braucht auch eine Vorstellung davon, wie es zukünftig anders sein kann.

Wir tun uns schwer damit, ein positives Bild von den zukünftigen Wirklichkeiten zu bedenken. Schnell kommen wir auf Erklärungen, warum es nicht gut ist, was der Fall ist. Dabei greifen wir auf allgegenwärtige Ideologien zurück, auf tradiertes Wissen, auf berichtete Fakten.

Was können wir uns vorstellen, wenn wir allein unsere Erfahrung zur Grundlage eines neuen Wirtschaftens machen?

Einige Beispiele werden berichtet.

In einer Wohngemeinschaft werden Haushaltsgegenstände gemeinschaftlich genutzt. Niemandem gehört etwas davon. Keiner weiß mehr, wann diese von wem angeschafft wurden. Geht etwas kaputt, wird überlegt, ob es ersetzt werden kann. Meist wird auf gebrauchte und „geerbte“ Gegenstände zurück gegriffen, die wenig kosten.

Einige können sich vorstellen, dass sie öfter den öffentlichen Nahverkehr nutzen werden, wenn dieser kostenlos wäre. Die Erfahrung hier ist, dass es oft umständlich oder auch teuer ist, einen Fahrschein zu kaufen. Ein Auto ist meist da und die Osten hierfür fallen ohnehin an.

Können diese Erfahrungen zur Grundlage für eine Ökonomie für eine ganze Gesellschaft gemacht werden?

Viele sind kritisch. In kleinen Gemeinschafen geht Vieles, dass in großen Gesellschaften nicht mehr aufrecht erhalten kann. Die Beziehungen der Menschen sind dann nicht mehr unmittelbar spürbar. Aber es bleibt die Idee, dass wir alle bereits eine andere Form des Wirtschaftens erfahren haben. Wir können auf diese Erfahrung zurück greifen.